Schuld und Sühne
4.5/5
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Über dieses E-Book
Der Roman wurde, während Dostojewski laufend weitere Kapitel schrieb, als Feuilletonroman in 12 Fortsetzungen in der Monatszeitschrift Russki Westnik veröffentlicht, beginnend Ende Januar 1866 und endend im Dezember 1866.
Der russische Originaltitel des Romans, Prestuplenije i nakasanie (Преступление и наказание), lässt sich nicht exakt ins Deutsche übertragen.
Der geläufigste Übersetzungstitel ist Schuld und Sühne, trifft mit seiner stark moralischen Orientierung jedoch nicht die russischen Termini, die eher aus dem juristischen Sprachgebrauch stammen.
Genauer ist die Übersetzung als Verbrechen und Strafe, die aber wiederum den durchaus vorhandenen ethischen Gehalt der russischen Begriffe nicht ganz erfasst. Dieser Titel wurde nach Alexander Eliasberg 1921 unter anderem von Swetlana Geier in ihrer viel beachteten Neuübersetzung von 1994 verwendet, als mögliche Alternativen nennt Geier die Worte Übertretung und Zurechtweisung.
In anderen Sprachen wie dem Englischen, Französischen und Polnischen wurde dagegen der Titel Verbrechen und Strafe schon immer bevorzugt verwendet (Crime and punishment, Crime et châtiment bzw. Zbrodnia i kara). Der Roman wurde im Deutschen teilweise auch unter dem Namen seiner Hauptfigur, Rodion Raskolnikow, herausgegeben.
(aus wikipedia.de)
Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881) zählt zu den bedeutendsten russischen Schriftstellern und gilt als einer der größten Psychologen der Weltliteratur. Seine Werke zeichnen ein intensives Bild der politischen, sozialen und spirituellen Umbrüche im Russland des 19. Jahrhunderts. Dostojewski erforschte mit unvergleichlicher Tiefe die menschliche Seele und deren Abgründe, wobei er komplexe Fragen nach Schuld, Freiheit und dem Sinn des Lebens aufwarf. Zu seinen berühmtesten Werken zählen »Schuld und Sühne«, »Der Idiot«, »Die Brüder Karamasow« und »Aufzeichnungen aus dem Kellerloch«. Dostojewskis literarisches Schaffen beeinflusst bis heute zahlreiche Schriftsteller und Denker.
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Rezensionen für Schuld und Sühne
8.855 Bewertungen133 Rezensionen
- Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Oct 27, 2019
This book gripped me from beginning to end. While written off by some as melodramatic and emotional, I found Dostoyevsky's portrayal of his character's inner struggles to be real & enthralling. Raskolnikov is probably one of the best "nonsympathetic" characters ever because even so I still felt for him! Honourable mention to Svidrigailov who absolutely fascinated me throughout the story. The brief descriptions of the penal colony in the epilogue made me interested in reading more about Dostoyevsky's own experiences there (in Notes from a Dead House). I also read The Brothers K this year, which I felt had a much more satisfying arc, emotional climax, and ending on the whole. Still, C&P was a great read and I'm ready for more! - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Feb 18, 2019
Read and pieced together 3 different versions totaling about 621 pages (see wikipedia for explanations of why so many versions) Russian writing at its best. Written after Dostoevsky returned from Siberian gulag; although this is not what the book is about. The book attempts to both solidify and crumble notions that one has about philosophy and the nature of sin. Great read! 621 pages - Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5
Feb 18, 2019
A depressed man does some crime, is unhappy about the consequences.2.5/4 (Okay).This is my first Russian novel, and it's a 1960's translation, so I'm a little surprised how straightforward and modern the style is. The story's not great, though. Dostoyevsky clearly started writing with some ideas he wanted to put across, but no plan for exactly how he was going to do it. And while there are a lot of characters and individual scenes that I like quite a bit, they're mostly incidental. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
For a long time, I have looked along shelves at the book store, looking for books to read, and every time, I skipped over the Classics section. Compared to the books of today, the Classics seemed like they would be more of a chore than a fun way to escape from reality. But one day, I decided to take the plunge into this pool of literary greatness. The first book I picked up was Crime and Punishment by Fyodor Dostoevsky. I wasn't sure what I was getting into when I read the very first page, but now, I understand why books like Crime and Punishment are called the Classics. There is a depth and complexity in Crime and Punishment that I haven't yet encountered. It may be from my limited exposure to such novels, but it still is something worth noting. Dostoevsky delves deep into the mind of man and takes us on a journey through love and hate, joy and despair, through this tale of a young man and his tormented life.It's not enough to look at Crime and Punishment as just a novel that follows the same basic pattern that has been followed for centuries. This is a book that is much deeper than that. The book follows the life of a ex-student named Raskolonikov (Some characters refer to him as different names, but this is the most common), a young man who lives in St. Petersburg, Russia. He lives in completely deplorable conditions: he barley lives on a few coins in a very small attic and flirts on the edge of sanity. In this state, Raskolonikov is not the usual protagonist and in fact, he may be the perfect definition of an antihero. Sometimes, however, I found myself lost as the story went on. The story would be centered around a single thought or idea and change radically in a manner of paragraphs. Other times, the same idea would get stuck and persist through whole passages, leaving a very long and, in some instances, a very tedious workload. The transition from thoughts to spoken word can be a bit hard to discern, though it could be just a problem of the translation. Some passages I really enjoyed, but others just dragged on for a long time. Crime and Punishment is one of those books that you shouldn't spend too log of time reading. It's not that it's short or something that is easy to read, but with the different characters and other factors, it's easy to forget where you are, who the characters are, and how that scene fits into the running plot if you leave it untouched for too long. But for the reasons stated above, it can get hard to keep rolling through the book. I sometimes found myself rereading certain passages to understand what was going on, only to become lost in the grand scheme of things.Crime and Punishment is one of the books you should read at least once. Dostoevsky covers the base ideas of man in a thoughtful and interesting way. This book was a wake-up call to the type of literature that I still need to read. But, parts of the book just seemed too drawn out and longer than what it should have been. It is a very dense book and almost every line seemed to have some sort of significance, promoting a close analyzation of almost everything. I enjoyed Crime and Punishment and, while not everyone will necessarily like it, recommend others to try and read it at least once. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
There is not much more I can say about this book that hasn't been said by hundreds of people throughout the years. On a personal note, I found this book to be outstanding and can easily see why it is considered one of the classics of literature. The way Dostoevsky gets into the mind of his character is as good writing as I have ever seen. The torment, guilt, hope, wonder, and range of dozens of emotions of the main character really hit home to the reader. I think everyone could connect in some way to the ideas in this story and although it is a slow read that takes some time, I think it is worth it for any avid reader. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
I first read this book fifteen years ago as a high school student. I was gripped by the mystery of it--not knowing what would happen to the narrator who, it is fairly clear from page one, is thinking of doing something horrible, and wondering throughout whether he would get caught. I was also swept up in the idea that a novel could be not just a story, but a philosophy: an exposition, through characters' perspectives, of what is true about life, faith, and politics. My classmates found Marmeladov's drunken ramblings on suffering as a vehicle for salvation dry, dull, and depressing; I was coming into the beginnings of my independent religious consciousness, and latched on to the idea that faith could be a personal and individual thing. I had always disliked how easily authors and directors made me root for the bad guy, and I found myself so smitten with the possibility that we are each villains in our own ways, and can be redeemed to do the right thing in the end. In short, I fell in love with this book, which quickly garnered the distinction as my favourite of all time, not only as an important novel, but as a moving and compelling story.The acclaim in which I held this book for so long made me a bit tentative about going back to it fifteen years later, but I am so glad for having done so. I can be more open now about the writing style in comparison with other great works I have read since; it is, without a doubt, a nineteenth century text, and one whose reading requires a great deal of investment--not work, per se, but close attention. And yet, the deeper meanings of the novel stand out in even sharper relief to me than they did on the first go. I find myself taking the perspective of each of the characters, not just Raskolnikov, and marvelling at how well Dostoevsky brings each of them to life with a psychology and a spirituality that is uniquely and realistically their own. I find myself more critical of the themes of the novel in view of my own understanding of Christian truth, yet more desperate than ever to piece together how and when, for Raskolnikov, his actions and his understanding combine into a coherent whole. And I find myself more appreciative than ever that the author does not gloss over the evil realities of life, but instead explores the heights of Christian redemption through the depths of the harshest sins, and does not permit his characters to slip painlessly into a happy ending, but demands, as God does of us, that they persevere for years in a growing understanding of His truth. This is the Christian fiction I wish more Christians could be bothered to aim for--not the heartfelt world of Amish farms, well-behaved children, and sexually pure courtships, but the far more compelling world of real people with real problems, getting life wrong, falling into the depths of despair, finding faith, and continuing to live in spite of their pain (not without it) simply because of some faint understanding in the bottom of their consciousness that there is one more reason out there not to give up hope. It is the fiction that would birth the C.S. Lewis and the Flannery O'Connor, as well as inspire a multitude of non-Christian authors who, in spite of not sharing the author's or the main character's views, would sense the significance of allowing their characters to be shaped by events and not simply molded by predestined happy endings. It is a book that seems to touch on my own psychology and heart more as I grow older and more experienced with disappointment and struggle. And though the mystery faded considerably after the first read, it is, because of all these things, still my all-time favourite book. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
Amazing, phenomenal, and well deserved to be called a masterpiece. For some reason, I had in my head that it would be about the Crime, of course, and then being in prison, with long pondering about guilt, remorse, etc. - and very dry. But I was completely wrong. It was exciting, suspenseful, with intriguing sub-plots and many layers to be uncovered. Wonderful, and I highly recommend it! - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Dec 11, 2018
A man, living in depressing poverty in a city full of small, horrible tragedies, commits a terrible crime for reasons that seem simple but probably aren't, then spends a long time in a complicated internal conflict between worrying that he'll be caught and wanting to confess. It became clear to me pretty quickly just why this is considered such a classic. Dostoevsky writes with an incredibly subtle, nuanced, and realistic view of human psychology, complete with an understanding of all the ways in which people lie to themselves, justify their own actions, and fail to entirely understand their own motivations. That's pretty impressive stuff, and by a hundred pages or so in, I was enjoying this book much more than I expected to -- if "enjoying" is quite the right word for a novel so full of awful stuff -- and even finding a sort of bleak humor in just how utterly incompetent the protagonist seemed to be at both criminality and penitence. There's also some wonderfully vivid characters. I think Pyotr Petrovich Luzhin is perhaps my new favorite most hate-able character in all of literature.It did begin to drag for me somewhere in the middle, though. I know it's silly to wish for this kind of novel to be a little bit shorter and pithier, but I found myself kind of wishing it, anyway. And I wasn't entirely satisfied with the note it ends on, but I think that's because Dostoevsky and I have different religious views, not because it isn't well-written. Still, I do now understand just why this Dostoevsky fellow is still considered so much worth reading. And maybe one of these days I will finally get around to The Brothers Karamazov. - Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5
Dec 11, 2018
It was too depressing/confusing for me when I first read it; I might just need to read it again. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Dec 11, 2018
Raskolnikov was a poor student in St. Petersburg. When he was in school, he manifested an idea that truly great men should be allowed to do more. They are above the law and that if someone or something stands in his way, he has every right to remove them by any means necessary, even if it means murder. Napoleon was a great man, he crushed and killed thousands, why not Raskolnikov? This rash and dangerous theory provides justification for the murder of two women, one a greedy usurer that Raskonikov is heavily indebted, and her sister, in the wrong place at the wrong time. It seems that this theory is just a way for him to get out of debt. He fantasizes about killing her and redistributing her funds all for a good cause, justifying his actions. However, he finds that those terrible actions weigh heavier on his soul than he bargained for. He doesn't redistribute the funds and doesn't even use them. And the guilt, the guilt weights on him, and when a detective discovers his guilt, it becomes a psychological game of cat and mouse. It's an exploration of guilt and how we need to punish ourselves for the wrong that we do. From murder, to neglect of duties, the wrong committed by the perpetrators will result in a dose of their own punishment. An ultimate exploration on how we punish ourselves. The real strength in this story is the character development and the internal dialogue. It's one of the first stories to get such an in-depth look inside a character's head. Each painstaking thought, insecurity, fear, and worry is etched in detail. I also loved the cat and mouse game with the detective. It's that type of dialogue that could fit into a police procedural today, the detective trying to crush the suspect without making a direct accusation, trying to wear him down so he will just give up. The psychological warfare is intense and very enjoyable. Russian literature is always a great study of people. Each character is fleshed out. It has those same qualities that make Huckleberry Finn such a classic; the characters are just as good as the story. The problems and travails of the common person of the day are told in so much detail. In one case, a dream sequence demonstrates the struggle of the common peasant of the day; an old horse is pulled out attempting to pull a full cart of drunkards as the master whips him again and again thinking he should be able to pull such a heavy load. When he cannot do it, he stands to shoot it and at that point Raskolnikov wakes from his dream (it may have been the dream that pushes him over).A very dense read, not as dense as Anna Karenina (where you definitely need a list of the cast of characters to keep up), but not as heavy as Fathers and Sons, which is more of a straightforward story. I may want to re-read this in the future to get more out of it.In short, I maintain that all great men or even men a little out of the common, that is to say capable of giving some new word, must from their very nature be criminals—more or less, of course. Otherwise it's hard for them to get out of the common rut; and to remain in the common rut is what they can't submit to, from their very nature again, and to my mind they ought not, indeed, to submit to it.""He will lie—that is, the man who is a special case, the incognito, and he will lie well, in the cleverest fashion; you might think he would triumph and enjoy the fruits of his wit, but at the most interesting, the most flagrant moment he will faint. Of course there may be illness and a stuffy room as well, but anyway! Anyway he's given us the idea! He lied incomparably, but he didn't reckon on his temperament. That's what betrays him! Another time he will be carried away by his playful wit into making fun of the man who suspects him, he will turn pale as it were on purpose to mislead, but his paleness will be too natural , too much like the real thing, again he has given us an idea! Though his questioner may be deceived at first, he will think differently next day if he is not a fool, and, of course, it is like that at every step! He puts himself forward where he is not wanted, speaks continually when he ought to keep silent, brings in all sorts of allegorical allusions, he-he! Comes and asks why didn't …"You knew I was ill and tried to work me into a frenzy to make me betray myself, that was your object! Produce your facts! I understand it all. You've no evidence, you have only wretched rubbishly suspicions like Zametov's! You knew my character, you wanted to drive me to fury and then to knock me down with priests and deputies.... Are you waiting for them? eh! What are you waiting for? Where are they? Produce them?"""She was only fourteen, but her heart was broken. And she had destroyed herself, crushed by an insult that had appalled and amazed that childish soul, had smirched that angel purity with unmerited disgrace and torn from her a last scream of despair, unheeded and brutally disregarded, on a dark night in the cold and wet while the wind howled...."Raskolnikov took the magazine and glanced at his article. Incongruous as it was with his mood and his circumstances, he felt that strange and bitter sweet sensation that every author experiences the first time he sees himself in print; besides, he was only twenty-three. It lasted only a moment. After reading a few lines he frowned and his heart throbbed with anguish. He recalled all the inward conflict of the preceding months. He flung the article on the table with disgust and anger.""Perhaps it was only from the force of his desires that he had regarded himself as a man to whom more was permitted than to others." p. 544 - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
This book is not what I expected it be. It is sad but very comical. In fact, some time it is so sad that it is comical. But it's realism is not marred by cartoonish antics. The writing is operatic but supremely smart and witty. There are monologues upon monologues, but these monologues are page turners, building to wonderful observations upon life, some I most certainly did not believe our present day have in common with Russian society in the 1860s. Most importantly, even though this book is completely popular and is said to be THE book, it is still quite unpredictable as far as plot lines go. And the writing is wonderfully digestible. And even more, what a wonderfully horrible slash smart slash kind slash petty slash stubborn slash generous main character. There is no denying that we all identify with Raskolnikov at one point in the book. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
This is a must read classic. It explores the mind of the kind-hearted Raskolnikov and his psychological journey to hell amidst poverty and corruption. I found this book riveting and difficult to put down. Dostoevsky describes the emotions of his characters in such way, it makes the reader actually feel what the characters are going through. This is Dostoevsky's greatest masterpiece and definitely a book everyone should read. - Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5
Dec 11, 2018
The crime scene is amazing, suspenseful and thrilling. There are a few other scenes that rise to that level, but the interminable speeches and declamations are what made this a real slog for me. Also showing Raskolnikov is a moody bitch could have been more concise. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
"Crime and Punishment" is not about either, but about the space between. Little time is spent dwelling on motive before the title's crime occurs. It must be murder, to drive the story to be told, but in order to render maximum sympathy for Rodia the motive remains obscured and his efforts clumsy without personal gain. The majority of the story by far is focussed upon what comes after. Mortal paranoia works against Rodia and he contemplates every form of escape: confession, being accused of his crime at last, or achieving the absolute certainty of avoiding justice. It is difficult to watch him thrust away anyone who would help him, be they friends or family. Guilt drives loneliness; with whom can he share his agony before madness descends? As his straitened circumstances progress, he cannot accept being close with anyone besides those who would regard him as a benefactor, and seeks some form of kinship among society's lowest strata. When Rodia's motive becomes more clear, half the story is already done and the reader is no longer likely to pass summary judgement. By then we know his good side through how well-regarded he is by those who have known him best, and how protective he is of others even as he scorns them at the same time. It is impossible to hope that he will get away with murder, but it is something to hope that he will find the error in his thinking that led him astray. The question then is whether corporal punishment is required to see this realization through, or can a criminal arrive at redemption independently? Dostoevsky spent time as a political prisoner and had ample time to consider the purpose and impact of criminal justice upon society and those it punished. Reading into this novel the result of those musings, it seems to me he could not satisfy himself as to the answer and shared the mystery in this way we all may profit from. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Dec 11, 2018
It took me a long time to read Crime and Punishment. Partly because I was moving away from home at the time, and partly because it's quite intense, and thoughtful, and, well, psychological. I found it interesting how realistic parts of it were, in terms of how people act: Dostoyevsky knew what he was writing about, certainly. At the same time, the people are quite strange -- the investigator, always talking and spilling out his thoughts; the main character, always talking to himself; Mrs Marmeladov with her strange delusions... They all seem a little bit larger than life. It certainly gives them a life of their own, anyway.
In terms of the writing, the repetitions of things and the stating of the obvious and the sameness to the eccentricity of the characters somewhat bored me. Large chunks of it are just Raskolnikov dithering around and being delirious.
I can see why this is considered a great book, but I can't quite give it a whole-hearted "it was amazing" rating. It's something I might read again to ponder over some more. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 11, 2018
I first read this book in high school and was mesmerized. When my book club was considering reading some classics, I recommended it, and I find that I still love the book. It is a classic psychological thriller. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Dec 11, 2018
The Fifth Floor. Julie Oleszek. 2015. This first person narrative of a young woman’s recovery from anorexia in a mental hospital is interesting it is but not as good as I remember I Never Promised You a Rose Garden or Girl Interrupted being. It was a freebie or almost freebie on Kindle and an okay read if you like this kind of book. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
May 16, 2020
Read and pieced together 3 different versions totaling about 621 pages (see wikipedia for explanations of why so many versions) Russian writing at its best. Written after Dostoevsky returned from Siberian gulag; although this is not what the book is about. The book attempts to both solidify and crumble notions that one has about philosophy and the nature of sin. Great read! 621 pages - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 18, 2024
One of my favorite Russian novels. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Nov 12, 2024
Excellent book! I read the translation by Constance Garnett and am told that hers is one of the best.
While the murder and the immediate fallout was pretty horrific and a bit distressing to read, I came to care about what would happen to Raskolnikov a great deal as it went on and was amazed at how the love of his friends and family worked toward his redemption.
The most ironic part, to me, was that although Raskolnikov was upset that he hadn't proven himself to be one of the "great men" who were supposedly above morality, his very conscience proved him to be a great man in ways that he couldn't comprehend until the very end. Probably the main thing that bugged me about this, though, was how his whole experience was only truly wrapped up in the last three pages or so. It felt very sudden.
Gotta love Razumihin. - Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5
Oct 9, 2024
Only one crime and more of a punishment for me than him. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Aug 19, 2022
Having finished part 1: I think this is to some extent like a past-age 'Dexter' a look inside the mind of a murderer. Unlike this Dexter this guy seems like a bit of an idiot, as much as he thinks of himself as a bit of a criminal-mastermind, he comes off a bit more like one of 'regular criminals' that he despises. The writing is great describing very interesting characters and setting up lots of interesting and contrasting ideas that you can sense will be leveraged to illustrate the nature of the main character. I'm loving it and am very keen to read on. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Mar 8, 2020
Rodion Romanovich Raskolnikov commits murder. And we learn of his mental anguish. He isn't a particularly likeable character. Yet his story is very interesting. It does make it keep your interest. - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Apr 18, 2019
I actually liked the book, and it made me think about the meaning of life. A little bit of boring, but worth the time. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Feb 22, 2019
It was bitter cold last night. The trip from work to the kitchen was uneventful enough. I prepared soup and awaited my wife. After dinner, I placed Sonny Rollins' 9/11 Concert on the stereo and sat down with the last 52 pages of Crime and Punishment. the greatest testament I can afford the novel conclusion is that for 25 minutes I didn't hear any jazz, only Dostoevsky's denouement - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Feb 21, 2019
Very Russian - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Feb 19, 2019
I hate to give such as well known classic a low star rating. Maybe it's because I read the Pevear & Volokhonsky translation, or listened to it in audio. Or maybe Dostoevsky intentionally set out to make the reader feel the mental sickness/madness of the main character, like an unpleasant fever-dream. The first two chapters were great and promising, but the remaining melodramatic and plodding (a trait shared by some other 1850s and 60s classic novels). The best aspects are Dostoevsky's insights on human nature, but to get those ideas requires ascribing motives, thoughts and ideas to his characters that do not feel authentic; the characters are like projections of Dostoevsky himself thus lacking a believable psychology. I'm glad to have read it because it is so famous, but life is short so I look to the classics for a sure thing and this did not deliver. I read The House of the Dead which was great, so may give Dostoevsky another try later. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Dec 14, 2018
The rating is for this specific translation by Oliver Ready. I didn't care for the over-colloquial tone of his dialogue choices, but reading in a different translation made this book a wonderful reading experience. Comparing translations was enlightening, as well. - Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
May 30, 2018
so much there; duh - Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Mar 15, 2018
Well, it's a good book. Enjoyable enough. I found the first half a little harder to get through, but I knocked it out quickly enough. His writing style isn't exactly what I expected, but I found it useful in perhaps formulating my own. Though fictional, it's also one of those works that offers an excellent snapshot of a particular place and time, in this case late 19th Century Russia.
Buchvorschau
Schuld und Sühne - Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Inhaltsverzeichnis
Schuld und Sühne
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
Vierter Teil
Fünfter Teil
Sechster Teil
Epilog
Impressum
Schuld und Sühne
Erster Teil
I
Anfang Juli, in der heißesten Jahreszeit, am Spätnachmittag trat ein junger Mann aus seiner Kammer, die er als Untermieter bewohnte, auf die Straße und begab sich langsam, gleichsam unentschlossen zu der K–schen Brücke.
Es gelang ihm, eine Begegnung mit seiner Wirtin auf der Treppe zu vermeiden. Seine Kammer befand sich dicht unter dem Dache eines hohen, vierstöckigen Hauses und sah mehr einem Schrank als einer Wohnung ähnlich. Seine Wirtin aber, bei der er diese Kammer mit Mittagessen und Bedienung mietete, hauste eine Treppe tiefer in eigener Wohnung, und wenn er ausging, musste er jedes Mal an der Küche der Wirtin mit der immer weit offenstehenden Tür vorbeikommen. Jedes Mal, wenn der junge Mann an der Küche vorbeiging, überkam ihn ein krankhaftes, feiges Gefühl, dessen er sich schämte und vor dem er das Gesicht verzog. Er schuldete seiner Wirtin viel Geld und fürchtete, ihr zu begegnen.
Er war gar nicht so feige und eingeschüchtert, sogar im Gegenteil; doch seit einiger Zeit befand er sich in einem Zustande von Reizbarkeit und Spannung, der an Hypochondrie erinnerte. Er hatte sich dermaßen in sich selbst vertieft und von allen Menschen zurückgezogen, dass er jede Begegnung, nicht nur die mit seiner Wirtin, fürchtete. Er war von Armut erdrückt; aber selbst diese bedrängte Lage machte ihm in der letzten Zeit wenig Schmerzen. Seinem Tagewerk ging er in der letzten Zeit nicht mehr nach und wollte ihm auch gar nicht nachgehen. Im Grunde hatte er vor keiner Wirtin Angst, was sie gegen ihn auch im Schilde führen mochte. Doch auf der Treppe stehen zu bleiben, jedes Geschwätz über diese alltäglichen Kleinlichkeiten, um die er sich absolut nicht kümmerte, alle diese zudringlichen Vorstellungen wegen der Bezahlung, die Drohungen und Klagen anzuhören und sich dabei selbst herauszuwinden, zu entschuldigen und zu lügen – nein, es ist schon besser, wie eine Katze die Treppe hinunterzuschleichen und, von niemand gesehen, zu verschwinden.
Diesmal musste er übrigens selbst, als er schon auf der Straße war, über seine Angst vor einer Begegnung mit seiner Gläubigerin staunen.
»So eine Sache will ich unternehmen und habe dabei Angst vor solchem Unsinn!« sagte er sich mit einem seltsamen Lächeln. »Hm ... ja ... alles hat der Mensch in seiner Hand, und alles lässt er sich entgehen aus bloßer Feigheit ... das ist ein Axiom ... Es ist interessant, was die Menschen mehr als alles fürchten! Einen neuen Schritt, ihr eigenes neues Wort fürchten sie am meisten ... Übrigens schwatze ich zu viel. Darum tue ich auch nichts, weil ich nur schwatze. Vielleicht ist es auch so: ich schwatze, weil ich nichts tue. Dieses Schwatzen habe ich mir im letzten Monat angewöhnt, als ich tagelang in meinem Loche lag und an ... des Kaisers Bart dachte. Nun, warum gehe ich jetzt? Bin ich denn dazu fähig? Ist denn das ernst gemeint? Gar nicht ernst. Eine Phantasie, um mich selbst zu unterhalten; Spielerei? Ja, vielleicht, es ist wirklich nur eine Spielerei!«
Draußen war es furchtbar heiß, dazu auch schwül; ein Gedränge; überall Kalk, Baugerüste, Ziegelsteine, Staub und jener eigentümliche sommerliche Gestank, welchen jeder Petersburger kennt, der nicht in der Lage ist, aufs Land zu gehen, – dies alles erschütterte auf einmal die auch ohnehin schon zerrütteten Nerven des jungen Mannes. Der unerträgliche Gestank, der aus den Kneipen drang, die in diesem Stadtteile besonders zahlreich sind, und die vielen Betrunkenen, denen er, obwohl es ein Wochentag war, auf Schritt und Tritt begegnete, vervollständigten das abstoßende, traurige Bild. Über die feinen Gesichtszüge des jungen Mannes glitt der Ausdruck eines tiefen Ekels. Übrigens war er ungewöhnlich hübsch, über das Mittelmaß groß, schlank und geschmeidig und hatte schöne dunkle Augen und dunkelblondes Haar. Bald versank er in tiefe Nachdenklichkeit, eigentlich sogar in eine Ohnmacht, und bemerkte im Gehen nichts von allem, was ihn umgab, und wollte es auch gar nicht bemerken. Nur ab und zu murmelte er etwas vor sich hin: das kam von seiner Angewohnheit, Monologe zu halten, wie er es sich eben selbst eingestanden hatte. Zugleich war er sich auch dessen bewusst, dass seine Gedanken zuweilen durcheinandergerieten und dass er sehr schwach war: seit zwei Tagen schon hatte er fast nichts gegessen.
Seine Kleidung war so zerfetzt, dass auch mancher an alles gewöhnte Mensch sich genieren würde, in diesem Aufzuge bei Tage auf die Straße zu treten. In diesem Stadtteile konnte man übrigens kaum jemand durch solche Kleidung verblüffen. Die Nähe des Heumarktes, die Menge von gewissen Lokalen und die in diesen Straßen und Gassen im Zentrum Petersburgs zusammengedrängte dichte Handwerker- und Arbeiterbevölkerung belebten zuweilen das Straßenbild mit solchen Subjekten, dass es sogar sonderbar wäre, über manche Figur zu staunen. In der Seele des jungen Mannes hatte sich aber schon so viel boshafte Verachtung aufgespeichert, dass er sich, trotz seiner zuweilen noch sehr jugendlichen Empfindlichkeit, seiner zerlumpten Kleidung am allerwenigsten schämte. Anders war es bei den Begegnungen mit manchen seiner Bekannten oder mit seinen früheren Kollegen, denen er überhaupt sehr ungern begegnete ... Als aber ein Betrunkener, den man gerade, Gott weiß warum und wohin, in einem großen, leeren, mit einem riesenhaften Lastpferd bespannten Leiterwagen vorüberführte, ihm plötzlich zurief: »He, du Deutscher mit dem Hute!« und, auf ihn mit der Hand weisend, aus vollem Halse zu schreien begann, blieb der junge Mann plötzlich stehen und griff krampfhaft nach seinem Hut. Es war ein hoher, runder Zimmermannscher Hut, vollkommen abgetragen, ganz rot vor Alter, voller Löcher und Flecken, ohne Krempe und mit einem hässlichen Knick auf einer Seite. Es war aber keine Scham, was er empfand, sondern ein ganz anderes Gefühl, das sogar an Schreck grenzte.
»Das wusste ich ja!« murmelte er verlegen: »Das dachte ich mir auch! Das ist schon das Allerschlimmste! So eine Dummheit, so eine ganz gemeine Kleinigkeit kann den ganzen Plan verderben! Ja, der Hut ist viel zu auffallend ... Er ist lächerlich und darum auffallend ... Zu meinen Lumpen gehört unbedingt eine Mütze, und wenn auch so flach wie ein Pfannkuchen, und nicht dieses Scheusal. Kein Mensch trägt so einen Hut, man wird ihn schon aus einer Entfernung von einer Werst sehen und sich merken ... man wird ihn sich merken, und da hat man schon ein Indiz. Man muss dabei möglichst wenig auffallen ... Kleinigkeiten, solche Kleinigkeiten sind das Wichtigste! ... Solche Kleinigkeiten richten jedes Unternehmen zugrunde ...«
Er hatte nicht weit zu gehen; er wusste sogar, wie viele Schritte es vom Tore seines Hauses waren: genau 730. Er hatte sie einmal gezählt, als er ganz im Banne seiner Träume war. Damals wollte er noch selbst nicht an diese seine Träume glauben und stachelte sich nur durch ihre hässliche, doch verführerische Kühnheit auf. Doch jetzt, nach einem Monat sah er die Dinge anders an und hatte sich, trotz aller aufstachelnden Monologe über seine eigene Ohnmacht und Unentschlossenheit, schon gewöhnt, seinen »hässlichen« Traum für ein wirkliches Unternehmen zu halten, obwohl er sich auch noch nicht recht traute. Er ging jetzt sogar, eine Probe seines Unternehmens zu machen, und seine Erregung wuchs mit jedem Schritt.
Mit ersterbendem Herzen und nervösem Zittern näherte er sich einem riesengroßen Hause, das mit der einen Seite auf den Kanal und mit der andern auf die *sche Straße hinausging. Dieses Haus bestand aus lauter kleinen Wohnungen und war von allerlei Gewerbetreibenden, Schneidern, Schlossern, Köchinnen, deutschen Handwerkern, alleinstehenden Mädchen, kleinen Beamten usw. bewohnt. Die Aus- und Eingehenden huschten nur so durch die beiden Torwege und die beiden Höfe. Drei oder vier Hausknechte versahen hier den Dienst. Der junge Mann war sehr froh, dass er keinem von ihnen begegnete, und schlüpfte sofort direkt aus dem Torwege unbemerkt die Treppe nach rechts hinauf. Die Treppe war finster und eng, eine richtige »Hintertreppe«, doch er kannte sie schon, hatte alles genau studiert, und die Örtlichkeit gefiel ihm nicht schlecht; in dieser Dunkelheit würde ihm auch ein neugieriges Auge ungefährlich sein. – Wenn ich schon jetzt so fürchte, wie wird es dann werden, wenn ich mal vor der Sache selbst stehe? – dachte er sich unwillkürlich, als er den dritten Stock erreichte. Hier versperrten ihm einige Träger – verabschiedete Soldaten, die aus einer Wohnung Möbel heraustrugen, den Weg. Er wusste schon von früher, dass in dieser Wohnung ein deutscher Beamter mit Familie wohnte: – Dieser Deutsche zieht aus, also bleibt im dritten Stock für einige Zeit nur die Wohnung der Alten allein bewohnt. Das ist gut ... für jeden Fall ... – dachte er sich wieder und läutete bei der Alten an. Die Glocke klimperte schwach, als sei sie aus Blech und nicht aus Kupfer gemacht. In ähnlichen kleinen Wohnungen in Häusern dieser Art sind fast immer solche Glocken. Er hatte den Klang dieser Glocke schon fast vergessen, und nun brachte ihm dieses eigentümliche Klimpern etwas in Erinnerung, gab ihm eine klare Vorstellung von etwas ... Er fuhr zusammen – seine Nerven waren diesmal gar zu schwach. Etwas später ging die Tür ein klein wenig auf: die Bewohnerin blickte den Besucher durch den ganz schmalen Spalt mit sichtbarem Argwohn an, und man sah aus dem Dunkeln nur ihre Augen hervorleuchten. Da sie aber draußen auf der Treppe viele Leute gewahrte, fasste sie Mut und machte die Tür ganz auf. Der junge Mann trat über die Schwelle in ein dunkles Vorzimmer, das durch eine Bretterwand geteilt war; dahinter befand sich eine winzige Küche. Die Alte stand schweigend vor ihm da und sah ihn fragend an. Es war eine sehr kleine, ausgemergelte alte Frau von etwa sechzig Jahren, mit stechenden, bösen Augen, kleiner spitzer Nase und bloßem Kopf. Ihre semmelblonden, nur wenig ergrauten Haare waren ausgiebig mit Öl eingefettet. Um ihren dünnen, langen Hals, der an ein Hühnerbein erinnerte, hatte sie allerlei Flanell-Lumpen gewickelt, und über ihre Schultern hing, trotz der Hitze, eine zerfetzte und vergilbte Pelzjacke. Die Alte ächzte und hustete jeden Augenblick. Der junge Mann hatte sie wohl irgendwie eigentümlich angeblickt, denn in ihren Augen erschien wieder der frühere Argwohn.
»Ich bin der Student Raskolnikow, war schon einmal bei Ihnen vor einem Monat«, beeilte sich der junge Mann mit einer halben Verbeugung zu stammeln: es fiel ihm ein, dass er freundlicher sein müsse.
»Ich weiß noch, Väterchen, ich erinnere mich gut, dass Sie hier waren«, sagte die Alte, jedes Wort betonend, ohne ihre fragenden Augen von seinem Gesicht zu wenden.
»Also, heute ... komme ich wieder in einer ähnlichen Sache ...« fuhr Raskolnikow fort, ein wenig verlegen und über das Misstrauen der Alten erstaunt.
– Vielleicht ist sie übrigens immer so, und ich habe es damals nur nicht bemerkt – sagte er sich mit einem unbehaglichen Gefühl.
Die Alte schwieg eine Weile, wie nachdenklich, trat dann zur Seite, zeigte auf die Tür zum Wohnzimmer und sagte, indem sie dem Gast den Vorantritt ließ:
»Treten Sie nur ein, Väterchen.«
Das kleine Zimmer, mit den gelben Tapeten, Geranien und Mullvorhängen an den Fenstern, in das der junge Mann kam, war in diesem Augenblick grell von der untergehenden Sonne erleuchtet. – Also wird die Sonne auch dann ebenso leuchten! – ging es Raskolnikow unwillkürlich durch den Kopf, und er überflog mit einem schnellen Blick das ganze Zimmer, um alles zu studieren und sich nach Möglichkeit zu merken. Aber im Zimmer gab es nichts Besonderes. Die sehr alten Möbel aus gelbem Holz bestanden aus einem Sofa mit sehr großer, geschwungener hölzerner Rückenlehne, einem ovalen Tisch vor dem Sofa, einem Toilettentisch mit einem kleinen Spiegel zwischen den Fenstern, mehreren Stühlen an den Wänden und zwei oder drei billigen gelbgerahmten Bildern, die deutsche junge Mädchen mit Vögeln in den Händen darstellten, – das war das ganze Meublement. In einer Ecke brannte vor einem kleinen Heiligenbilde ein Lämpchen. Alles war sehr sauber, die Möbel und der Fußboden waren sehr blank gescheuert; alles glänzte. – Das ist wohl Lisawetas Arbeit – dachte sich der junge Mann. Kein Stäubchen war in der ganzen Wohnung zu finden. – Bei bösen und alten Witwen pflegt es so rein zu sein – dachte Raskolnikow weiter und schielte neugierig nach dem Kattunvorhang vor der Tür zum zweiten winzigen Zimmerchen, wo das Bett und die Kommode der Alten standen und in das er noch niemals hineingeblickt hatte. Die ganze Wohnung bestand nur aus diesen beiden Zimmern.
»Was wünschen Sie?« sagte die Alte streng, als sie ins Zimmer trat und sich wieder gerade vor ihn hinstellte, um ihm ins Gesicht zu blicken.
»Ich habe ein Pfand mitgebracht, hier!« Und er zog aus der Tasche eine alte flache silberne Uhr. Auf der Rückseite war ein Globus dargestellt. Die Kette war aus Stahl.
»Der Termin für das letzte Pfand ist schon um. Vorgestern ist gerade der Monat abgelaufen.«
»Ich will Ihnen die Zinsen für den zweiten Monat bezahlen, gedulden Sie sich noch ein wenig.«
»Es ist mein guter Wille, Väterchen, zu warten oder Ihr Pfand jetzt gleich zu verkaufen.«
»Wie viel geben Sie mir für die Uhr, Aljona Iwanowna?«
»Immer bringst du mir solche Kleinigkeiten, Väterchen, die Uhr ist fast nichts wert. Für den Ring habe ich Ihnen das letzte Mal zwei Rubelscheine gegeben, aber man kann einen solchen bei einem Juwelier für anderthalb Rubel kaufen.«
»Geben Sie mir doch vier Rubel, ich werde sie einlösen, die Uhr habe ich vom Vater. Ich bekomme bald Geld.«
»Anderthalb Rubel und die Zinsen im Voraus, wenn Sie wollen.«
»Anderthalb Rubel!« schrie der junge Mann auf.
»Wie Sie wollen.« Und die Alte reichte ihm seine Uhr. Der junge Mann nahm sie und wurde so böse, dass er gleich weggehen wollte; er überlegte sich aber gleich, dass er sonst nirgends hingehen konnte und dass er auch noch aus einem anderen Grunde gekommen war.
»Geben Sie's her!« sagte er grob.
Die Alte steckte die Hand in die Tasche nach den Schlüsseln und ging ins andere Zimmer hinter den Vorhang. Als der junge Mann mitten im Zimmer allein geblieben war, lauschte er neugierig und überlegte. Er hörte, wie sie die Kommode aufschloss. – Wahrscheinlich ist es die oberste Schublade – überlegte er sich. – Die Schlüssel trägt sie also in der rechten Tasche ... Alle Schlüssel sind an einem Stahlring vereinigt ... Darunter ist ein Schlüssel, der dreimal so groß ist als die anderen, mit einem zackigen Bart, – der ist natürlich nicht von der Kommode ... Also hat sie noch irgendeine Schatulle oder Truhe ... Das ist sehr interessant. Truhen haben oft solche Schlüssel ... Übrigens, wie gemein ist dies alles ...
Die Alte kam zurück.
»Hier, Väterchen: wenn ich Ihnen zehn Kopeken pro Rubel im Monat berechne, so schulden Sie mir für die anderthalb Rubel fünfzehn Kopeken für den Monat im Voraus. Für die zwei früheren Rubel schulden Sie mir nach der gleichen Rechnung zwanzig Kopeken im Voraus. Im Ganzen also 35. Für Ihre Uhr bekommen Sie jetzt im ganzen einen Rubel und 15 Kopeken. Hier ist das Geld.«
»Wie! Ich bekomme also nur einen Rubel und fünfzehn Kopeken?«
»Sehr richtig!«
Der junge Mann wollte nicht streiten und nahm das Geld. Er blickte die Alte an und beeilte sich nicht, wegzugehen, als wollte er noch irgendetwas sagen oder tun; doch was, – das wusste er anscheinend selbst nicht ...
»Vielleicht bringe ich Ihnen, Aljona Iwanowna, noch einen Gegenstand ... einen silbernen ... einen guten ... ein Zigarettenetui ... sobald ich es von einem Freunde zurückbekomme ...« Er wurde verlegen und verstummte.
»Nun, dann werden wir darüber reden, Väterchen.«
»Leben Sie wohl ... Sie sitzen aber immer allein zu Hause, Ihre Schwester ist nicht da?« fragte er so ungezwungen, wie er nur konnte, während er ins Vorzimmer trat.
»Was geht sie Sie an, Väterchen?«
»Es ist nichts Besonderes, ich habe nur so gefragt. Sie aber machen sich gleich Gedanken ... Leben Sie wohl, Aljona Iwanowna!«
Raskolnikow verließ ihre Wohnung völlig verwirrt. Seine Verwirrung wurde immer größer. Während er die Treppe hinunterging, blieb er sogar einigemal wie durch etwas erschüttert stehen. Schließlich, schon auf der Straße, rief er aus:
»Mein Gott! Wie abscheulich! Und werde ich denn, werde ich denn ... nein, eine Unmöglichkeit!« fügte er entschlossen hinzu. »Konnte mir denn so ein Wahnsinn einfallen? Zu welchem Schmutz ist aber mein Herz fähig! Vor allen Dingen ist es schmutzig, ekelhaft, hässlich, hässlich! ... Und ich habe einen ganzen Monat ...«
Er konnte aber seine Erregung weder durch Worte noch durch Ausrufe ausdrücken. Das Gefühl eines grenzenlosen Ekels, das sein Herz, schon als er zu der Alten ging, zu bedrücken und zu trüben angefangen hatte, erreichte jetzt ein solches Maß und kam ihm so deutlich zum Bewusstsein, dass er gar nicht wusste, wohin sich vor dieser Qual zu retten. Er ging über das Trottoir wie ein Betrunkener, ohne die Vorübergehenden zu bemerken, zuweilen mit ihnen zusammenstoßend, und kam erst in der nächsten Straße zur Besinnung. Er sah sich um und stellte fest, dass er sich vor einer Schenke befand, zu der vom Trottoir eine Treppe wie in einen Keller führte. Aus der Tür traten eben zwei Betrunkene; sich gegenseitig stützend und beschimpfend, traten sie auf die Straße. Ohne lange nachzudenken, stieg Raskolnikow schnell hinab. Bisher war er noch nie in einer Schenke gewesen, doch jetzt schwindelte ihm der Kopf, und ein brennender Durst peinigte ihn. Er wollte kaltes Bier trinken, um so mehr, als er seine plötzliche Schwäche damit erklärte, dass er nichts im Magen hatte. Er setzte sich in eine dunkle und schmutzige Ecke, an einen klebrigen Tisch, ließ sich Bier geben und trank mit Gier das erste Glas. Sofort fühlte er eine Erleichterung, und seine Gedanken klärten sich. – Das alles ist Unsinn – sagte er sich voller Zuversicht –, und ich brauche nicht den Mut zu verlieren! Es ist einfach eine körperliche Zerrüttung. Ein einziges Glas Bier, ein Stück Zwieback, – und im Nu ist der Geist wieder stark, die Gedanken sind klar und die Absichten bestimmt! Pfui, wie nichtig und lächerlich ist doch das alles! ... Aber trotz dieses verächtlichen Ausspuckens sah er schon so lustig aus, als hätte er sich plötzlich von einer fürchterlichen Last befreit, und blickte die Anwesenden wohlwollend an. Doch selbst in diesem Augenblick hatte er das dunkle Gefühl, dass auch diese Empfänglichkeit für das Bessere krankhaft sei.
In der Schenke waren um diese Stunde wenige Menschen versammelt. Nach den beiden Betrunkenen, denen er auf der Treppe begegnet war, hatte eine ganze Gesellschaft von fünf Mann mit einer Dirne und einer Ziehharmonika die Schenke verlassen. Als sie gegangen waren, wurde es gleich still und geräumig. Es waren noch geblieben: ein etwas angeheiterter Mann, der hinter einer Flasche Bier saß, dem Aussehen nach ein Kleinbürger; sein Freund, ein dicker, großer Mann, in einem langen Überrock, mit grauem Bart, der ordentlich betrunken war, auf einer Bank duselte und ab und zu plötzlich wie im Schlafe mit den Fingern zu schnalzen anfing, wobei er die Arme spreizte, mit dem Oberkörper, ohne von der Bank aufzustehen, wackelte und dazu irgendeinen Unsinn sang, wobei er sich auf den Text zu besinnen versuchte, der beiläufig so lautete:
»Hab ein Jahr mein Weib geliebt,
Ha-ab ein Ja-ahr mein Weib geliebt ...«
Oder er erwachte plötzlich und begann:
»Durch die Stadt bin ich gegangen.
Hab die erste eingefangen ...«
Niemand teilte aber sein Glück; sein schweigsamer Freund sah allen diesen Ausdrücken sogar feindselig und argwöhnisch zu. Es war noch ein Mann da, der wie ein verabschiedeter Beamter aussah. Er saß abseits allein vor seiner Flasche, trank ab und zu einen Schluck und blickte um sich. Auch er schien in einer gewissen Aufregung zu sein.
II
Raskolnikow war an den Aufenthalt unter vielen Menschen nicht gewöhnt und mied, besonders in der letzten Zeit, jede Gesellschaft. Jetzt aber fühlte er sich zu den Menschen hingezogen. In ihm ging anscheinend eine Veränderung vor, und gleichzeitig fühlte er ein starkes Bedürfnis nach Gesellschaft. Er war nach diesem Monat gespannter Qual und düsterer Erregung so sehr müde, dass er wenigstens eine Minute lang in einer anderen Welt aufatmen wollte, ganz gleich, in was für einer Welt, – und er blieb, trotz des ganzen Schmutzes der Umgebung, mit Vergnügen in der Schenke.
Der Besitzer des Lokals befand sich in einem anderen Zimmer, kam aber oft in das Hauptzimmer, in das er einige Stufen hinabstieg, wobei sich immer erst seine eleganten Schmierstiefeln mit rotem Besatz zeigten. Er trug einen ärmellosen Rock und eine furchtbar fettige, schwarze Atlasweste, hatte keine Halsbinde an, und sein Gesicht schien wie ein eisernes Schloss mit Öl eingeschmiert zu sein. Hinter dem Schenktisch stand ein etwa vierzehnjähriger Junge; es war auch noch ein anderer, etwas jüngerer Junge da, der den Gästen das Verlangte brachte. Auf dem Schenktische lagen kleingehackte Gurken, schwarzer Zwieback und in Stücke geschnittene Fische; dies alles roch sehr schlecht. Die Luft war so dumpf, dass es beinahe unerträglich war, in dem Raume zu sitzen, und alles war dermaßen von Branntweingeruch durchdrungen, dass man von dieser Luft allein in fünf Minuten betrunken werden konnte.
Zuweilen begegnen wir sogar uns völlig unbekannten Menschen, für die wir uns gleich auf den ersten Blick, ganz plötzlich, noch ehe wir mit ihnen ein Wort gesprochen haben, zu interessieren anfangen. Einen solchen Eindruck machte auf Raskolnikow der Gast, welcher abseits saß und wie ein verabschiedeter Beamter aussah. Der junge Mann erinnerte sich später einige Male dieses ersten Eindrucks und schrieb ihn sogar einer Vorahnung zu. Er blickte unausgesetzt den Beamten an, natürlich auch aus dem Grunde, weil jener ihn ebenfalls unverwandt ansah und mit ihm sogar wohl ein Gespräch beginnen wollte. Die übrigen Leute, die sich in der Schenke befanden, den Wirt nicht ausgenommen, sah der Beamte mit gewohnten Blicken gelangweilt an, zugleich mit einem Anfluge einer gewissen hochmütigen Geringschätzung, wie Menschen von niedriger Stellung und Bildung, mit denen er doch gar nicht sprechen konnte. Es war ein Mann von über fünfzig Jahren, von mittlerer Größe und gedrungenem Körper, mit graumelierten Haaren und einer großen Glatze, mit einem vom Trinken aufgedunsenen, gelben, sogar grünlichen Gesicht und angeschwollenen Lidern, unter denen kleine, doch begeisterte, rötliche Schlitzäuglein hervor lugten. Es war aber etwas Seltsames an ihm; aus seinen Augen leuchtete sogar etwas wie Begeisterung – vielleicht auch Geist und Verstand –,aber zugleich lag in ihnen auch etwas wie Wahnsinn. Er war mit einem alten, vollkommen zerrissenen Frack ohne Knöpfe bekleidet. Ein einziger Knopf war noch irgendwie erhalten, und mit diesem knöpfte er den Frack zu, da er offenbar den Anstand nicht ganz aufgeben wollte. Unter der Nankingweste steckte ein zerknittertes, verschmiertes und beflecktes Vorhemd. Das Gesicht war nach Beamtenart glattrasiert, doch schon vor längerer Zeit, so dass überall bläuliche Stoppeln hervortraten. Auch in seinen Manieren lag etwas Solides und Beamtenartiges. Aber er war in großer Unruhe, er zerzauste sich die Haare und stützte zuweilen den Kopf wie vor Schmerz in beide Hände, wobei er die durchgewetzten Ellenbogen auf den begossenen, klebrigen Tisch legte. Schließlich blickte er Raskolnikow gerade ins Gesicht und sagte laut und sicher:
»Darf ich es wagen, mein sehr verehrter Herr, mich an Sie mit einem anständigen Gespräch zu wenden? Denn obwohl Ihr Aussehen unbedeutend ist, erkennt meine Erfahrung in Ihnen einen gebildeten und ans Trinken nicht gewöhnten Menschen. Ich habe die Bildung, die sich mit herzlichen Gefühlen paart, stets geschätzt, und außerdem stehe ich im Range eines Titularrates. Marmeladow – so ist mein Name, Titularrat. Darf ich fragen, ob Sie im Staatsdienst gewesen sind?«
»Nein, ich studiere ...« antwortete der junge Mann, etwas erstaunt, wie über den eigentümlichen, hochtrabenden Stil dieser Ansprache, so auch darüber, dass der Mann sich so unvermittelt an ihn wandte. Obwohl er erst eben den Wunsch nach irgendeiner Gemeinschaft mit Menschen gehabt hatte, empfand er bei den ersten, wirklich an ihn gerichteten Worten seine gewohnte, unangenehme und gereizte Scheu vor jeder fremden Person, die mit ihm in Berührung kam oder bloß in Berührung kommen wollte.
»Also Student, oder gewesener Student!« rief der Beamte aus. »Das dachte ich mir auch! Es ist die Erfahrung, geehrter Herr, die langjährige Erfahrung!« Wie um sich selbst zu loben, führte er den Finger an die Stirn. »Sie waren Student oder haben sich sonst wie mit den Wissenschaften abgegeben! Aber gestatten Sie ...«
Er erhob sich schwankend, nahm seine Flasche und sein Glas und setzte sich zu dem jungen Mann, ihm etwas schräg gegenüber. Er war angetrunken, sprach aber beredt und gewandt und kam nur hie und da aus dem Konzept oder zog die Sätze allzu sehr in die Länge. Er fiel über Raskolnikow mit einer gewissen Gier her, als hätte auch er einen ganzen Monat mit niemand gesprochen.
»Verehrter Herr«, begann er fast feierlich. »Armut ist kein Laster, das steht fest. Ich weiß auch, dass der Trunk keine Tugend ist, und das steht noch mehr fest. Doch die äußerste Armut, mein Herr, ist wohl ein Laster. In der gewöhnlichen Armut bewahrt man noch den Adel der angeborenen Gefühle; aber in der äußersten Armut – niemals. Für eine solche Armut wird man aus der menschlichen Gesellschaft nicht mal mit einem Stocke gejagt, sondern mit dem Besen hinaus gefegt, damit es beleidigender sei; und das ist auch gerecht, denn in der äußersten Armut bin ich als erster bereit, mich selber zu beleidigen. Davon kommt auch das Trinken! Verehrter Herr, vor einem Monat hat der Herr Lebesjatnikow meine Gattin verprügelt, und meine Gattin ist doch etwas ganz anderes als ich! Verstehen Sie das? Gestatten Sie die Frage, und wenn auch aus purer Neugier. Haben Sie schon auf der Newa in den Heubarken übernachtet?«
»Nein, ich hatte noch nicht die Gelegenheit,« antwortete Raskolnikow. »Was ist denn das?«
»Nun, ich komme von dort, schon die fünfte Nacht ...«
Er schenkte sich ein Gläschen ein, trank es aus und wurde nachdenklich. An seinen Kleidern und selbst in den Haaren sah man hie und da hängengebliebene Heuhalme. Es war sehr wahrscheinlich, dass er sich seit den fünf Tagen weder ausgekleidet noch gewaschen hatte. Besonders schmutzig waren seine fettigen, roten Hände mit den schwarzen Nägeln.
Sein Gespräch schien eine allgemeine, wenn auch träge Aufmerksamkeit erregt zu haben. Die beiden Jungen hinter dem Schenktische begannen zu kichern. Der Wirt war wohl absichtlich aus dem oberen Zimmer gekommen, um den »lustigen Kerl« zu hören, er setzte sich abseits und gähnte träge, doch selbstbewusst. Marmeladow war hier offenbar bekannt. Auch seine Neigung für hochtrabende Redensarten hatte er sich wohl durch die Gewohnheit, in den Schenken mit Unbekannten zu sprechen, angeeignet. Diese Gewohnheit wird bei vielen Trinkern zu einem Bedürfnis, besonders bei solchen, die zu Hause streng behandelt werden und sich alles gefallen lassen müssen. Darum bemühen sie sich immer, in der Gesellschaft von Betrunkenen eine Rechtfertigung und, wenn möglich, auch Achtung zu gewinnen.
»Ein komischer Kerl«, sagte der Wirt laut. »Warum arbeitest du aber nicht, warum sind Sie nicht im Dienst, wenn Sie Beamter sind?«
»Warum ich nicht im Dienste bin, verehrter Herr?« fiel ihm Marmeladow ins Wort, sich ausschließlich an Raskolnikow wendend, als hätte dieser die Frage gestellt. »Warum ich nicht im Dienste bin? Tut mir denn nicht das Herz weh, dass ich mich müßig herumtreibe? Als Herr Lebesjatnikow vor einem Monat eigenhändig meine Gattin verprügelte, tat mir das nicht weh? Gestatten Sie, junger Mann, ist es Ihnen schon passiert ... hm ... nun, jemand hoffnungslos um eine Anleihe zu bitten?«
»Das ist mir schon passiert ... das heißt, was verstehen Sie unter hoffnungslos?«
»Das heißt völlig hoffnungslos, schon im Voraus davon überzeugt, dass nichts daraus wird. Sie wissen zum Beispiel im Voraus und ganz sicher, dass dieser Herr, dieser äußerst wohlgesinnte und äußerst nützliche Bürger Ihnen für nichts in der Welt Geld geben wird, denn ich frage Sie, warum soll er mir welches geben? Er weiß doch, dass ich es nicht zurückgeben werde. Aus Mitleid? Herr Lebesjatnikow, der die neuen Ideen verfolgt, hat neulich erklärt, dass das Mitleid in unserer Zeit von der Wissenschaft verboten sei und dass man sich in England, wo es die politische Ökonomie gibt, schon danach richte. Warum also, frage ich Sie, soll er geben? Und nun, trotzdem Sie im Voraus wissen, dass er nichts geben wird, machen Sie sich dennoch auf den Weg und ...«
»Warum soll man denn hingehen?« warf Raskolnikow ein.
»Wenn man aber sonst keinen Menschen und keinen Ort weiß, um hinzugehen? Jeder Mensch muss doch einmal irgendwo hingehen können! Denn es gibt Zeiten, wo man unbedingt irgendwo hingehen muss? Als meine einzige Tochter zum ersten Male mit einem gelben Pass ausging, so ging ich auch ... (denn meine Tochter lebt mit einem gelben Pass ...)« fügte er in Klammern hinzu und blickte den jungen Mann mit einiger Unruhe an. »Macht nichts, verehrter Herr, macht nichts!« beeilte er sich sofort und anscheinend ruhig zu erklären, als die beiden Jungen hinter dem Schenktische zu lachen anfingen und auch der Wirt selbst lächelte. »Macht nichts! Dieses Kopfschütteln bringt mich nicht in Verlegenheit, denn alles ist allen bekannt, und alles Verborgene wird offenbar; ich trage es auch nicht mit Verachtung, sondern mit Demut. Sollen sie nur! ›Sehet, welch ein Mensch!‹ Erlauben Sie, junger Mann: können Sie ... Aber nein, ich will es stärker und eindringlicher aussprechen: nicht können Sie, sondern wagen Sie, wenn Sie mich jetzt anblicken, positiv zu erklären, dass ich kein Schwein bin?«
Der junge Mann erwiderte kein Wort.
»Nun«, fuhr der Redner solid und sogar mit gehobenem Selbstbewusstsein fort, nachdem er abgewartet hatte, dass das Kichern im Zimmer verstumme. »Nun, mag ich ein Schwein, mag sie eine Dame sein. Ich habe die Gestalt eines Tieres, aber Katerina Iwanowna, meine Gattin, ist eine gebildete Person und eine geborene Stabsoffizierstochter. Mag ich ein Schuft sein, mag sie von Großmut und von Gefühlen, die durch die Erziehung veredelt sind, erfüllt sein. Und doch ... oh, wenn sie mit mir doch Mitleid hätte! Sehr verehrter Herr, sehr verehrter Herr, jeder Mensch müsste doch einen Ort haben, wo man mit ihm Mitleid hätte! Katerina Iwanowna ist aber wohl eine großmütige, doch ungerechte Dame. Und obwohl ich auch selbst einsehe, dass sie, wenn sie mich an den Haaren herumzerrt, es doch nur aus herzlichem Mitleid tut, denn sie zerrt mich, ich wiederhole es ohne Scham, an den Haaren herum, junger Mann!« – (versicherte er mit unterstrichener Würde, als er wieder ein Kichern hörte) »aber, mein Gott, hätte sie doch nur ein einziges Mal ... Doch nein! Nein! Das ist umsonst! Ich brauche davon gar nicht zu reden! ... Denn was ich mir ersehne, wurde mir schon mehr als einmal zuteil, ich wurde schon mehr als einmal bemitleidet, doch ... das ist schon einmal eine Eigenschaft von mir, ich aber bin ein geborenes Vieh!«
»Und ob!« bemerkte gähnend der Wirt.
Marmeladow schlug energisch mit der Faust auf den Tisch.
»Das ist mal eine Eigenschaft von mir! Wissen Sie, wissen Sie, mein Herr, dass ich auch ihre Strümpfe vertrunken habe? Nicht die Schuhe, was doch einiger maßen natürlich wäre, aber die Strümpfe, ihre Strümpfe habe ich vertrunken! Auch ihr Tuch aus Ziegenwolle habe ich vertrunken, das sie mal früher geschenkt bekommen hat, es war ihr Eigentum und nicht meines; wir wohnen aber in einem kalten Loch, und sie hat sich im letzten Winter erkältet und zu husten angefangen, jetzt schon mit Blut. Wir haben aber drei kleine Kinder, und Katerina Iwanowna arbeitet von früh bis spät, wäscht und scheuert, hält auch die Kinder rein, denn sie ist von Kind auf an Reinlichkeit gewöhnt; dabei hat sie aber eine schwache Brust, die zur Schwindsucht neigt, und ich fühle das! Fühle ich es denn nicht? Und je mehr ich trinke, umso mehr fühle ich es. Darum trinke ich auch, weil ich im Trunke Mitleid und Gefühle suche ... Ich trinke, weil ich doppelt leiden möchte!«
Und er legte seinen Kopf wie in Verzweiflung auf den Tisch.
»Junger Mann,« fuhr er fort, sich wieder aufrichtend, »in Ihrem Gesicht lese ich einen gewissen Gram. Gleich, als Sie eintraten, las ich ihn, und darum wandte ich mich auch an Sie. Denn ich erzähle Ihnen meine Lebensgeschichte nicht, um den müßigen Menschen, die schon alles auch ohnehin wissen, ein schändliches Schauspiel zu liefern, sondern, weil ich einen gefühlvollen und gebildeten Menschen suche. Sie sollen also wissen, dass meine Gattin in einem vornehmen adligen Gouvernementspensionat erzogen worden ist und bei der Abschiedsfeier mit dem Schal vor dem Gouverneur und sonstigen Persönlichkeiten getanzt hat, wofür sie eine goldene Medaille und ein lobendes Attest erhielt. Die Medaille ... ja, die Medaille haben wir längst verkauft ... hm ... das lobende Attest hat sie aber auch jetzt noch im Koffer liegen und hat es erst vor kurzem unserer Wirtin gezeigt. Obwohl sie sich mit dieser Wirtin ständig herumzankt, wollte sie dennoch vor jemand prahlen und von den vergangenen glücklichen Tagen berichten. Ich verurteile sie nicht, ich verurteile sie nicht, weil ihr nur dieses Letzte in den Erinnerungen geblieben, alles andere aber zugrunde gegangen ist! Ja, ja, sie ist eine hitzige, stolze und unbeugsame Dame. Sie scheuert selbst den Fußboden und lebt von Schwarzbrot, wird aber eine Missachtung ihrer Person nicht dulden. Darum wollte sie sich auch Herrn Lebesjatnikows Grobheit nicht gefallen lassen, und als er sie verprügelte, wurde sie weniger der Schläge als der verletzten Gefühle wegen krank. Ich heiratete sie als Witwe mit drei Kindern, eines kleiner als das andere. Ihren ersten Mann, einen Infanterieoffizier, hatte sie aus Liebe geheiratet und war mit ihm aus dem Elternhause geflohen. Ihren Mann liebte sie über die Maßen, er gab sich aber dem Kartenspiel hin, kam vors Gericht und starb. In der allerletzten Zeit hatte er sie auch geschlagen; sie ließ es sich zwar nicht gefallen, was mir ganz sicher und aus Urkunden bekannt ist, gedenkt seiner aber auch jetzt noch mit Tränen und stellt ihn mir als Muster hin, und ich bin froh, ich bin froh, weil sie wenigstens in der Phantasie glaubt, dass sie einst glücklich gewesen sei ... Er ließ sie als Witwe, mit drei kleinen Kindern, in einem fernen und wilden Landkreise, in dem ich mich damals aufhielt, zurück, in einer so hoffnungslosen Armut, die ich, obwohl ich schon manches gesehen habe, gar nicht beschreiben kann. Auch ihre Verwandten hatten sie verstoßen. Sie war aber stolz, viel zu stolz ... Und dann bot ich ihr, sehr geehrter Herr, der ich auch ein Witwer war und eine vierzehnjährige Tochter von meiner ersten Frau hatte, meine Hand an, da ich solche Qual nicht mitansehen konnte. Auf welche Stufe von Not sie herabgesunken war, können Sie daraus ersehen, dass sie, die gebildet und wohlerzogen war und aus einer bekannten Familie stammte, sich bereit erklärte, mich zu heiraten. Ja, sie heiratete mich! Weinend, schluchzend und händeringend heiratete sie mich! Denn sie konnte sonst nirgends hin. Verstehen Sie es, verstehen Sie es, verehrter Herr, was es heißt, wenn man nirgends mehr hin kann? Nein! Das verstehen Sie noch nicht ... Und ich erfüllte meine Pflichten ein ganzes Jahr fromm und heilig und rührte dieses (er wies mit dem Finger auf die Schnapsflasche) nicht an, denn ich habe Gefühl. Aber auch damit stellte ich sie nicht zufrieden; und da verlor ich auch noch meine Stelle, und zwar nicht durch eigene Schuld, sondern wegen einer Änderung im Etat; und nun erst griff ich danach! ... Es sind schon anderthalb Jahre, seit wir, nach Irrfahrten und vielen Schicksalsschlägen, endlich in diese großartige und mit zahlreichen Denkmälern geschmückte Residenzstadt geraten sind. Und hier bekam ich einen Posten ... Ich bekam ihn und verlor ihn gleich wieder. Verstehen Sie das? Diesmal verlor ich ihn aus eigener Schuld, denn ich hatte den Strich erreicht ... Jetzt bewohnen wir ein halbes Zimmer bei der Wirtin Amalie Fjodorowna Lippewechsel; wovon wir aber leben und womit wir bezahlen, das weiß ich nicht. Viele andere Leute wohnen dort außer uns ... Es geht dort furchtbar zu, ein wahres Sodom ... hm! ... ja ... Indessen ist meine Tochter aus erster Ehe herangewachsen, und was sie, meine Tochter, als sie heranwuchs, von ihrer Stiefmutter alles auszustehen hatte, das verschweige ich. Denn Katerina Iwanowna ist zwar von großmütigen Gefühlen erfüllt, aber eine hitzige und gereizte Dame, sehr streng, und lässt einen gar nicht zu Worte kommen ... Jawohl! Nun, ich will davon lieber nicht sprechen! Eine Erziehung hat meine Sonja, wie Sie sich wohl denken können, nicht genossen. Vor vier Jahren versuchte ich einmal, sie in Geographie und Weltgeschichte zu unterrichten; da ich aber in diesen Dingen nicht gut beschlagen bin und auch keine ordentlichen Lehrbücher hatte, denn die Bücher, die vorhanden waren ... hm! sie sind jetzt nicht mehr da, diese Bücher, – so endigte damit der ganze Unterricht. Beim Cyrus von Persien blieben wir stehen. Später, als sie schon erwachsen war, las sie einige Romane, und vor kurzem bekam sie durch Vermittlung des Herrn Lebesjatnikow das Buch ›Physiologie‹ von Lewes – kennen Sie es? – sie las es mit großem Interesse und teilte auch uns einige Bruchstücke daraus mit: das ist ihre ganze Bildung. Nun wende ich mich an Sie, verehrter Herr, mit einer privaten Frage: wie viel kann nach Ihrer Meinung ein armes, doch ehrliches junges Mädchen durch ehrliche Arbeit verdienen? ... Sie verdient keine fünfzehn Kopeken im Tag, verehrter Herr, wenn sie ehrlich ist und über keine besonderen Talente verfügt, und auch das nur, wenn sie unermüdlich arbeitet! Und da hat ihr noch der Staatsrat Klopstock, Iwan Iwanowitsch – haben Sie von ihm nichts gehört? – nicht nur das Geld für das Nähen von einem halben Dutzend holländischer Hemden bis heute nicht bezahlt, sondern sie auch noch unter Beleidigungen hinausgeworfen, indem er mit den Füßen trampelte und sie mit einem unanständigen Worte beschimpfte, unter dem Vorwande, dass der Hemdkragen nicht nach Maß und schief genäht sei. Meine Kinder sind aber hungrig ... Und Katerina Iwanowna geht händeringend im Zimmer auf und ab und hat rote Flecken auf den Wangen, was bei dieser Krankheit immer der Fall ist. ›Du lebst,‹ sagte sie, ›du Müßiggängerin, bei uns, isst und trinkst und hast es warm‹; was ist das aber für ein Essen und Trinken, wenn selbst die kleinen Kinder oft drei Tage lang keine Brotrinde zu sehen bekommen! Ich aber lag damals ... ach, was soll ich viel reden! – ich lag betrunken da und hörte meine Sonja sagen (sie ist sonst schweigsam und hat ein so sanftes Stimmchen ... blond ist sie, das Gesichtchen immer bleich und mager), ich hörte sie sagen: ›Wie, Katerina Iwanowna, soll ich auf eine solche Sache eingehen?‹ Darja Franzewna, ein übles und der Polizei gut bekanntes Frauenzimmer hat sich aber schon an die dreimal durch die Wirtin erkundigt. ›Warum nicht?‹ antwortet Katerina Iwanowna zum Spott: ›Was sollst du es hüten? So eine Kostbarkeit!‹ Sie dürfen sie aber nicht anklagen, mein Herr, nein, nicht anklagen! Dies war nicht bei gesundem Verstand gesagt worden, sondern in Erregung aller Gefühle und angesichts der kranken und weinenden Kinder, die nichts gegessen haben, und auch mehr in beleidigender Absicht, als im genauen Sinne des Wortes ... Denn Katerina Iwanowna hat mal einen solchen Charakter, und wenn die Kinder zu weinen anfangen, und sei es auch nur aus Hunger, fängt sie sie gleich zu schlagen an. So sehe ich, wie Sonjetschka so gegen sechs Uhr abends aufsteht, ihr Tüchlein umnimmt, das Mäntelchen anzieht und die Wohnung verlässt und in der neunten Stunde wieder heimkommt. Sie kam heim, ging gleich auf Katerina Iwanowna zu und legte vor ihr schweigend dreißig Rubel auf den Tisch. Kein Wörtchen sprach sie dabei, sah sie nicht mal an, sondern nahm nur unser großes grünes Drap-de-dames-Tuch (wir haben so ein gemeinsames Drap-de-dames-Tuch), bedeckte damit ganz den Kopf und das Gesicht und legte sich aufs Bett mit dem Gesicht zu der Wand, bloß die Schultern und der ganze Körper zitterten. Ich aber lag noch im gleichen Zustande wie früher ... Und da sah ich, junger Mann, da sah ich, wie Katerina Iwanowna, auch ohne ein Wort zu sagen, an Sonetschkas Bettchen herantrat und den ganzen Abend zu ihren Füßen kniete und ihr die Füße küsste und nicht aufstehen wollte, und dann schliefen sie beide zusammen ein, umschlungen ... beide ... beide ... jawohl ... und ich ... ich lag betrunken da.«
Marmeladow verstummte, als versagte ihm die Stimme. Dann schenkte er sich plötzlich ein Gläschen ein, trank es aus und räusperte sich.
»Seit jener Zeit, mein Herr,« fuhr er nach kurzem Schweigen fort, »seit jener Zeit wurde meine Tochter, Sonja Semjonowna, infolge eines unglücklichen Umstandes und auf Anzeige übelwollender Menschen, wozu Darja Franzewna besonders viel beitrug, weil man ihr angeblich nicht die gebührende Achtung erwiesen hatte, – gezwungen, einen gelben Pass zu nehmen und konnte infolgedessen nicht mehr bei uns bleiben. Denn auch unsere Wirtin, Amalie Fjodorowna wollte es nicht zulassen (vorher hatte sie aber die Darja Franzewna bei ihren Bemühungen unterstützt), und auch der Herr Lebesjatnikow ... hm! ... Nun, der Sonja wegen kam es eben zu dieser Geschichte zwischen ihm und Katerina Iwanowna. Anfangs hatte er sich selbst um Sonetschka beworben, plötzlich stieg er aber aufs hohe Ross: ›Wie kann ich, ein gebildeter Mensch, in der gleichen Wohnung mit so einer leben?‹ Katerina Iwanowna wollte es sich aber nicht bieten lassen und trat für Sonja ein ... So kam die Geschichte ... Sonjetschka besucht uns aber meistens in der Abenddämmerung, sie hilft Katerina Iwanowna und unterstützt uns nach Kräften mit Geldmitteln ... Sie wohnt beim Schneider Kapernaumow, mietete bei ihm ein Zimmer; dieser Kapernaumow ist aber lahm und stottert, und auch seine ganze zahlreiche Familie stottert. Auch seine Frau stottert. Sie wohnen alle in einem Zimmer, Sonja hat aber ihr eigenes Zimmer mit einem Alkoven ... Hm! ... ja ... Es sind bettelarme Menschen und stottern alle ... ja ... Also ich stand damals am Morgen auf, zog meine Lumpen an, hob beide Arme gen Himmel und begab mich zu Seiner Exzellenz Iwan Afanassjewitsch. Geruhen Sie Seine Exzellenz Iwan Afanassjewitsch zu kennen? ... Nein? Nun, dann kennen Sie einen göttlichen Mann nicht! Er ist ein Stück Wachs ... Wachs vor dem Antlitz des Herrn; er schmilzt wie Wachs! ... Es traten ihm sogar einige Tränen in die Augen, als er mich anzuhören geruhte. ›Nun,‹ sagte er, ›Marmeladow, du hast schon einmal meine Hoffnungen getäuscht ... Ich stelle dich aber wieder an, auf meine persönliche Verantwortung‹, so sagte er mir. ›Merk es dir und geh!‹ Ich küsste den Staub seiner Füße, in Gedanken natürlich, denn in Wirklichkeit hätte er es mir gar nicht erlaubt, denn er ist doch ein hoher Würdenträger und von der neuen politischen und gebildeten Gesinnung; ich kam nach Hause, und als ich erklärte, dass ich wieder einen Posten habe und Gehalt bekommen werde – mein Gott, was gab es da ...«
Marmeladow hielt wieder in großer Erregung inne. In diesem Augenblick kam von der Straße ein ganzer Trupp schon ohnehin betrunkener Säufer, und vor dem Eingange ertönten die Klänge eines von ihnen gemieteten Leierkastens und die gleichsam gesprungene Stimme eines siebenjährigen Kindes, das einen Gassenhauer sang. Es gab großen Lärm. Der Wirt und die Bedienung widmeten sich den neuen Gästen. Marmeladow schenkte ihnen keine Beachtung und fuhr in seiner Erzählung fort. Er schien sehr schwach, doch je mehr er trank, um so redseliger wurde er. Die Erinnerungen an den Erfolg, den er neulich im Dienste gehabt hatte, belebten ihn gleichsam und spiegelten sich sogar in seinem Gesichte wie ein Leuchten. Raskolnikow hörte ihm aufmerksam zu.
»Das war aber, mein Herr, vor fünf Wochen ... Ja ... Kaum hatten beide, Katerina Iwanowna und Sonjetschka, es erfahren, da war es mir, mein Gott! – wie wenn ich ins Himmelreich geraten wäre. Früher konnte ich wie ein Vieh daliegen und bekam nichts als Schimpfworte zu hören. Aber jetzt: sie gehen auf den Fußspitzen und rufen die Kinder zur Ruhe. ›Semjon Sacharytsch ist im Dienste müde geworden und ruht aus ... Pst!‹ Kaffee gaben sie mir, wenn ich morgens in den Dienst gehe, und kochten Sahne für mich! Richtige Sahne kauften sie für mich, hören Sie?! Und wo sie nur die elf Rubel fünfzig Kopeken für eine anständige Equipierung hergenommen haben? Das weiß ich wirklich nicht! Stiefel, ein prachtvolles Kattunvorhemd, ein Uniformfrack – dies alles richteten sie in vorzüglicher Qualität für elf Rubel fünfzig Kopeken her. Wie ich am ersten Tage des Morgens vom Dienste herkomme, sehe ich: Katerina Iwanowna hat zwei Gerichte gekocht, eine Suppe und Pökelfleisch mit Meerrettich, wovon wir früher keinen Begriff hatten. Sie hat nichts anzuziehen, aber wirklich gar nichts, diesmal aber putzte sie sich aus, als wollte sie Besuche machen; und dabei hatte sie nichts Besonderes an, sie verstand es nur, aus nichts alles zu machen: sie frisiert sich, tut einen sauberen Kragen und Manschetten an, und gleich ist sie ein ganz anderer Mensch, jünger und hübscher. Sonjetschka, mein Täubchen, hatte nur Geld beigesteuert, doch sie selbst, sagt sie, kann uns jetzt noch nicht besuchen, höchstens in der Abenddämmerung, dass es niemand sieht. Hören Sie es, hören Sie es? Wie ich am Nachmittag komme und etwas schlafen will, was denken Sie sich wohl? – Katerina Iwanowna konnte es sich doch nicht versagen: vor einer Woche noch hatte sie mit der Wirtin Amalie Fjodorowna einen großen Krach gehabt, aber diesmal lud sie sie zu einer Tasse Kaffee ein. Zwei Stunden saß sie mit ihr und flüsterte fortwährend: ›Semjon Sacharowitsch‹, sagte sie, ›ist jetzt im Dienste und bekommt Gehalt, und er ist selbst zu Seiner Exzellenz gegangen, und Seine Exzellenz kam selbst heraus, ließ alle warten und führte Semjon Sacharytsch an allen vorbei zu sich ins Zimmer.‹ Hören Sie, hören Sie? ›Ich erinnere mich,‹ sagte er, ›Semjon Sacharytsch, Ihrer Verdienste. Sie haben zwar diese leichtsinnige Schwäche, da Sie mir es aber versprechen und auch weil es ohne Sie bei uns nicht gut ging (hören Sie, hören Sie!), so verlasse ich mich jetzt‹, sagt er, ›auf Ihr Ehrenwort‹ – ich muss Ihnen sagen, das hat sie alles erfunden, doch nicht aus Leichtsinn, um damit zu prahlen. Nein, sie glaubt es alles selbst und erfreut sich an ihrer eigenen Erfindung, bei Gott! Und ich verurteile es nicht, bei Gott, ich verurteile es nicht! Als ich aber vor sechs Tagen mein erstes Gehalt – dreiundzwanzig Rubel und vierzig Kopeken heimbrachte und ihr vollzählig ablieferte, nannte sie mich Schätzchen: ›Mein Schätzchen!‹ sagte sie mir. Und das unter vier Augen, verstehen Sie? Nun, bin ich denn schön, und was bin ich für ein Gatte? Doch nein, sie kniff mich in die Backe und sagte: ›Du, mein Schätzchen!‹«
Marmeladow hielt inne, wollte lächeln, doch sein Kinn begann plötzlich heftig zu zittern. Er beherrschte sich aber. Diese Schenke, sein liederliches Aussehen, die fünf Nächte auf den Heubarken und die Schnapsflasche, zugleich aber diese krankhafte Liebe zur Frau und Familie hatten seinen Zuhörer ganz wirr gemacht. Raskolnikow hörte ihm gespannt, doch mit schmerzvollem Gefühl zu. Er ärgerte sich, dass er hier eingekehrt war.
»Sehr verehrter Herr, sehr verehrter Herr!« rief Marmeladow aus, als er sich wieder zusammengenommen hatte. »Oh, mein Herr, vielleicht kommt Ihnen das alles lächerlich vor, wie den andern, und ich belästige Sie nur mit der Dummheit dieser elenden Einzelheiten meines Lebens, aber mir ist es wirklich nicht zum Lachen! Denn ich kann das alles fühlen! ... Und im Verlauf jenes paradiesischen Tages meines Lebens und des ganzen Abends gab ich mich auch selbst flüchtigen Träumen hin: wie ich wohl alles einrichten und den Kindern Kleider kaufen werde, wie ich ihr selbst die Ruhe gebe und meine einzige Tochter aus der Schmach in den Schoß der Familie zurückbringe ... Und vieles, vieles andere ... Das durfte ich wohl, mein Herr! Und nun, mein Herr (Marmeladow fuhr plötzlich zusammen, hob den Kopf und blickte seinen Zuhörer aufmerksam an), nun, am nächsten Tage nach diesen Träumen – es werden genau fünf Tage her sein –, gegen Abend, stahl ich auf listige Weise, wie ein Dieb in der Nacht, den Schlüssel von ihrem Koffer, nahm alles, was vom mitgebrachten Gehalt noch übrig blieb, wie viel es war, weiß ich nicht mehr, und nun, sehen Sie mich an, jetzt ist es alle! Den fünften Tag bin ich von zu Hause weg, sie suchen mich dort, und auch die Stelle ist hin, und mein Uniformfrack liegt in der Schenke bei der Ägyptischen Brücke, und im Tausch dafür habe ich diese Bekleidung erhalten ... und alles ist zu Ende!«
Marmeladow schlug sich mit der Faust vor die Stirn, presste die Zähne zusammen und stemmte den Ellenbogen fest gegen den Tisch. Doch nach einer Minute schon war sein Gesicht wieder verändert, er blickte Raskolnikow mit gespielter Verschmitztheit und Frechheit an, lachte und sagte:
»Und heute war ich bei Sonja, habe sie um Geld zu Schnaps, zur Stärkung nach dem letzten Rausch, gebeten! He-he-he!«
»Hat sie's gegeben?« schrie jemand von den Neuangekommenen abseits; er schrie es und fing aus vollem Halse zu lachen an.
»Hier diese halbe Flasche ist für ihr Geld gekauft«, sagte Marmeladow, sich ausschließlich an Raskolnikow wendend. »Dreißig Kopeken gab sie mir, mit eigenen Händen, die letzten, alles, was sie hatte, das hab' ich selbst gesehen ... Sie sagte nichts, sah mich nur schweigend an ... So klagt und weint man über die Menschen nicht hier auf Erden ... sondern dort ... und ohne ein Wort des Vorwurfs, ohne ein Wort des Vorwurfs! Und das tut viel mehr weh, viel mehr weh, wenn man keinen Vorwurf zu hören bekommt! ... Dreißig Kopeken, jawohl. Sie braucht aber das Geld selbst, wie? Was glauben Sie, mein lieber Herr? Sie muss jetzt doch auf Reinlichkeit sehen! Diese Reinlichkeit, diese besondere Reinlichkeit kostet aber Geld, verstehen Sie? Nun, dann muss sie auch mal Pomade kaufen, anders geht es ja nicht; gestärkte Unterröcke muss sie haben, so ein elegantes Schuhchen, um ihr Füßchen zu zeigen, wenn sie über eine Pfütze gehen will. Verstehen Sie, verstehen Sie, mein Herr, was diese Reinlichkeit bedeutet? Nun, und ich, ihr leiblicher Vater, habe ihr diese dreißig Kopeken weg genommen, um mich zu stärken! Und nun trinke ich! Und habe sie schon vertrunken! ... Nun, wer wird mit so einem, wie ich, Mitleid haben? Wie? Tue ich Ihnen jetzt leid, mein Herr, oder nicht? Sag', mein Herr, tue ich dir leid, oder nicht? He-he-he-he!«
Er wollte sich wieder einschenken, aber es war nichts mehr da. Die Flasche war leer.
»Was soll man mit dir Mitleid haben?« rief der Wirt, der plötzlich neben ihnen stand.
Man hörte Lachen und sogar Schimpfen. Alle, die Marmeladow zugehört hatten, und auch solche, die ihm nicht zugehört hatten, lachten und schimpften beim bloßen Anblick des verabschiedeten Beamten.
»Mitleid haben?! Was soll man mit mir Mitleid haben?!« schrie plötzlich Marmeladow, so laut er konnte, mit vorgestrecktem Arm aufstehend, in sichtbarer Begeisterung, als hätte er auf diese Worte nur gewartet. »Was man mit mir Mitleid haben soll, fragst du? Ja! Man soll auch kein Mitleid mit mir haben! Man muss mich kreuzigen, ans Kreuz schlagen, und nicht bemitleiden! Doch kreuzige, Richter, kreuzige ihn, und nachdem du ihn gekreuzigt hast, hab' mit ihm Mitleid! Und dann komme ich selbst zu dir, um mich kreuzigen zu lassen, denn ich suche keine Freude, sondern Schmerz und Tränen! ... Glaubst du vielleicht, du Schnapsverkäufer, dass diese Flasche mir süß war? Trauer, Trauer suchte ich auf ihrem Grunde, Trauer und Tränen, und die habe ich gefunden und gekostet; bemitleiden wird uns aber der, der mit allen Mitleid hatte, der alle und alles verstand. Er ist der Einzige, er ist auch der Richter. Er wird an jenem Tage kommen und fragen: ›Wo ist die Tochter, die sich einer bösen und schwindsüchtigen Stiefmutter und fremden kleinen Kindern zuliebe verkauft hat? Wo ist die Tochter, die mit ihrem irdischen Vater, dem abscheulichen Trunkenbold, ohne vor seiner Tierheit zurückzuschrecken, Mitleid gehabt hat?‹ Und er wird sagen: ›Komm! Ich habe dir schon einmal vergeben ... Ich habe dir einmal vergeben ... Vergeben werden dir auch jetzt deine vielen Sünden, weil du viel geliebt hast ...‹ Und er wird meiner Sonja vergeben, wird ihr vergeben, ich weiß es, dass er ihr vergeben wird ... Das fühlte ich, als ich neulich bei ihr war, in meinem Herzen! Und er wird alle richten und allen vergeben, den Guten und den Bösen, den Weisen und den Demütigen ... Und wenn er mit allen fertig sein wird, da wird an uns der Ruf ergehen: ›Kommt‹, wird er sagen, ›auch ihr! Kommt, ihr Trunkenen, kommt, ihr Schwachen, kommt, ihr Schamlosen!‹ Und wir werden alle, ohne uns zu schämen, vortreten und uns vor ihn hinstellen. Und er wird sagen: ›Ihr Schweine! Ihr Ebenbilder des Tieres und mit seinem Siegel Gezeichnete! Kommt aber auch ihr!‹ Und die Weisen werden sprechen, und die Klugen werden sagen: ›Herr, warum nimmst du diese auf?‹ Und er wird antworten: ›Darum, ihr Weisen, darum, ihr Klugen, weil keiner von ihnen sich für dessen würdig hielt ...‹ Und er wird seine Hände gegen uns ausstrecken, und wir werden niederfallen ... und weinen ... und alles verstehen! Dann werden wir es verstehen! Und alle werden es verstehen ... auch Katerina Iwanowna wird es verstehen! Herr, dein Reich komme!«
Und er ließ sich, erschöpft und entkräftet, auf die Bank sinken, ohne jemand anzusehen, als hätte er alles, was ihn umgab, vergessen und wäre in Gedanken versunken. Seine Worte machten einigen Eindruck; für eine Weile wurde es still, doch bald ertönte wieder das Lachen und Schimpfen.
»Klug gesprochen!«
»Hat sich verrannt!«
»Ein netter Beamter!«
Und so weiter, und so weiter ...
»Kommen Sie, Herr,« sagte Marmeladow, den Kopf hebend und sich an Raskolnikow wendend, »begleiten Sie mich nach Hause ... Es ist das Koselsche Haus, im Hofe ... Es ist Zeit ... zu Katerina Iwanowna ...«
Raskolnikow wollte schon längst weggehen; auch hatte er schon selbst daran gedacht, Marmeladow zu helfen. Dieser zeigte sich viel schwächer auf den Beinen als im Reden und stützte sich fest auf den jungen Mann. Sie hatten zwei- bis dreihundert Schritte zu gehen. Je mehr sie sich dem Hause näherten, umso mehr bemächtigten sich des Betrunkenen Verwirrung und Angst.
»Ich fürchte jetzt nicht Katerina Iwanowna,« stammelte er erregt, »und auch nicht, dass sie mir die Haare raufen wird. Was sind Haare! ... Die Haare sind Unsinn! ... Das sage ich! Es ist sogar besser, wenn sie sie mir zu raufen anfängt, das fürchte ich nicht ... ich ... fürchte ihre Augen ... ja ... die Augen ... Die roten Flecken an den Wangen fürchte ich auch ... dann fürchte ich noch ihren Atem ... Hast du mal gesehen, wie man bei diesem Leiden atmet ... wenn man erregt ist? Auch das Weinen der Kinder fürchte ich ... Denn, wenn Sonja ihnen nichts zu essen gebracht hat, so weiß ich gar nicht! Ich weiß nicht! Die Schläge aber fürchte ich nicht ... Wisse, mein Herr, dass diese Schläge mir keinen Schmerz, sondern einen Genuss bedeuten ... Denn ohne dies kann ich selbst nicht auskommen. Es ist besser so. Soll sie mich nur schlagen und ihrem Herzen Luft machen ... es ist besser ... Da ist schon das Haus. Das Koselsche Haus. Kosel ist Schlosser. Ein reicher Deutscher ... Führe mich!«
Sie gingen durch den Hof und stiegen in den dritten Stock. Auf der Treppe wurde es immer dunkler. Es war fast elf Uhr, und obwohl es um diese Jahreszeit in Petersburg keine richtige Nacht gibt, war es oben auf der Treppe sehr dunkel.
Eine kleine verrauchte Tür ganz oben am Ende der Treppe stand offen. Ein Lichtstumpf beleuchtete ein furchtbar armes Zimmer von etwa zehn Schritt Länge; aus dem Flur war alles zu sehen. Alles lag hier durcheinander, besonders verschiedene Kinderlumpen. Die hinterste Ecke war durch ein zerrissenes Laken abgeteilt. Hinter diesem stand wohl das Bett. Im Zimmer selbst befanden sich nur zwei Stühle und ein wachstuchüberzogenes, zerrissenes Sofa, vor dem ein alter ungestrichener und ungedeckter Küchentisch aus Fichtenholz stand. Am Rande des Tisches brannte in einem eisernen Leuchter ein kleiner Talglichtstumpf. Marmeladow wohnte also doch in einem eigenen Zimmer, und nicht in einem »halben«; es war aber ein Durchgangszimmer. Die Tür zu den anderen Räumen oder Käfigen, in die die Wohnung der Amalie Lippewechsel eingeteilt war, stand offen. Dort wurde gelärmt und geschrien. Man lachte. Man spielte wohl auch Karten und trank Tee. Zuweilen tönten von dort recht unschickliche Worte herüber.
Raskolnikow erkannte Katerina Iwanowna auf den ersten Blick. Sie war eine furchtbar abgemagerte Frau, schlank und recht groß mit noch schönem dunkelblondem Haar und tatsächlich mit roten Flecken an den Wangen. Sie ging in ihrem kleinen Zimmer auf und ab, die Hände an die Brust gedrückt, mit vertrockneten Lippen, und atmete nervös und stoßweise. Ihre Augen glänzten wie im Fieber, doch der Blick war scharf und unbeweglich, und ihr schwindsüchtiges und erregtes Gesicht, auf dem der Widerschein des ausgehenden Lichtes zitterte, machte einen krankhaften Eindruck. Raskolnikow hielt sie für dreißig Jahre alt, und sie passte auch gar nicht zu Marmeladow ... Die Eintretenden hatte sie weder gehört noch gesehen; sie war wie geistesabwesend und schien nichts zu hören und zu sehen. Im Zimmer war es dumpf, sie hatte aber das Fenster nicht geöffnet; von der Treppe her stank es, doch die Tür zur Treppe stand offen; aus den inneren Räumen drangen durch die offene Tür Wolken von Tabakrauch herein, sie hustete, machte aber diese Tür nicht zu. Das jüngste Mädchen, etwa sechs Jahre alt, schlief auf dem Fußboden zusammengekauert, den Kopf ans Sofa gelehnt. Ein Junge, ein Jahr älter als sie, zitterte in einer Ecke am ganzen Leibe und weinte. Offenbar hatte er eben Schläge bekommen. Das älteste Mädchen, an die neun Jahre alt, hochaufgeschossen und dünn wie ein Streichholz, stand im bloßen, fadenscheinigen und zerrissenen Hemdchen, ein altes Mäntelchen aus Drap-de-dames, das wohl vor zwei Jahren gemacht worden war, weil es ihr jetzt nicht mal bis zu den Knien reichte, über die bloßen Schultern geworfen, in der Ecke neben dem kleinen Bruder und umschlang mit ihrem langen, wie ein Streichholz dürren Arm seinen Hals. Sie schien ihn beruhigen zu wollen; sie flüsterte ihm etwas zu und hielt ihn auf jede Weise zurück, damit er nicht wieder zu weinen anfange, und verfolgte zugleich ängstlich mit ihren auffallend großen dunklen Augen, die in dem ausgemergelten und erschrockenen Gesichtchen noch größer aussahen, die Mutter. Marmeladow kniete, ohne in das Zimmer zu treten, in der Tür nieder und schob Raskolnikow vor. Als die Frau den Fremden erblickte, blieb sie zerstreut vor ihm stehen; sie kam für einen Augenblick zur Besinnung und schien sich zu fragen: wozu ist er hergekommen? Aber sie sagte sich wohl gleich darauf, dass er in ein anderes Zimmer wolle, da das Ihrige doch ein Durchgangszimmer war. Nachdem sie sich dies überlegt hatte, schenkte sie ihm keine weitere Beachtung und ging zu der Flurtür, um sie zu schließen; plötzlich erblickte sie ihren auf der Schwelle knienden Mann und schrie auf.
»Ah!« schrie sie wütend. »Du bist zurückgekommen! Zuchthäusler! Verbrecher! ... Und wo ist das Geld?! Was hast du in der Tasche? Zeig' es her! Das sind auch nicht deine Kleider! Wo sind deine Kleider? Wo ist das Geld? Sprich! ...«
Und sie fing ihn zu durchsuchen an. Marmeladow streckte sofort gehorsam und demütig die Arme nach beiden Seiten aus, um ihr die Durchsuchung der Taschen zu erleichtern. Vom Geld war keine Kopeke mehr da.
»Wo ist denn das Geld?« schrie sie. »O Gott, hat er denn alles vertrunken?! Zwölf Rubel waren ja im Koffer übrig geblieben! ...«
Und plötzlich packte sie ihn wie rasend an den Haaren und schleppte ihn ins Zimmer. Marmeladow erleichterte ihr selbst die Mühe, indem er ihr demütig auf den Knien nachrutschte.
»Und das ist mir ein Genuss! Und das ist mir kein Schmerz, sondern ein Genuss, sehr geehrter Herr!« schrie er, während sie ihn an den Haaren herumzerrte und er sogar einmal mit der Stirn gegen den Boden anschlug.
Das Kind, das auf dem Fußboden schlief, erwachte und fing zu weinen an. Der Junge in der Ecke hielt es nicht länger aus: er fing zu zittern an, schrie auf und stürzte in furchtbarer Angst, beinahe in einem Krampfe, zu seiner Schwester hin. Das älteste Mädchen fuhr wie aus dem Schlafe auf und zitterte wie Espenlaub.
»Vertrunken! Alles, alles vertrunken!« schrie die arme Frau in ihrer Verzweiflung. »Auch die Kleider sind hin! Und die sind hungrig, hungrig! (sie zeigte händeringend auf die Kinder). O, dieses verfluchte Leben! Und Sie, Sie schämen sich nicht?« wandte sie sich plötzlich zu Raskolnikow: »Aus der Schenke! Du hast mit ihm getrunken? Auch du hast mit ihm getrunken?! Hinaus!«
Der junge Mann beeilte sich, ohne ein Wort zu sagen, hinauszugehen. Da ging auch noch die Innentür sperrweit auf, und aus ihr blickten mehrere Neugierige herein. Freche, lachende Gesichter, mit Zigaretten und Pfeifen zwischen den Zähnen und Kappen auf dem Kopfe, drängten sich in die Tür. Man sah Gestalten in offenen Schlafröcken, in sommerlicher Kleidung, die beinahe unanständig war, manche mit Karten in der Hand.
