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Erträge: Schriftenreihe der Bibliothek des Konservatismus, Band 1
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eBook127 Seiten2 Stunden

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Über dieses E-Book

Die Schriftenreihe ERTRÄGE dokumentiert ausgewählte Reden und Vorträge, die in der Berliner Bibliothek des Konservatismus gehalten wurden, sowie wissenschaftliche Arbeiten und Essays, die dort entstanden sind. Die Texte spiegeln die ganze Bandbreite des aktuellen konservativen Diskurses.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum25. Nov. 2014
ISBN9783981431032
Erträge: Schriftenreihe der Bibliothek des Konservatismus, Band 1
Autor

Alexander Demandt

Alexander Demandt, geb. 1937, studierte Geschichte und Lateinische Philologie in Tübingen, München und Marburg. 1964 Promotion mit einer Arbeit über Zeitkritik und Geschichtsbild bei Ammianus Marcellinus, 1970 Habilitation. 1974 bis 2005 Professor für Alte Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte, Philosophie und Kulturgeschichte.

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    Buchvorschau

    Erträge - Alexander Demandt

    Inhalt

    Vorwort

    Alexander Demandt

    Oswald Spengler, ein konservativer Denker?

    Konrad Adam

    Klassenkampf

    Rolf Stolz

    Identität – vom modischen Schlagwort zur politischen Konzeption

    Kai Hammermeister

    Was ist konservative Literatur?

    Stefan Blankertz

    Totalitäre Demokratie und ihre Alternativen

    Zu den Autoren

    Vorwort

    Mit der Schriftenreihe ERTRÄGE dokumentiert die Bibliothek des Konservatismus ausgewählte Reden und Vorträge aus ihren Veranstaltungen sowie wissenschaftliche Arbeiten und Essays, die in Anbindung an die Bibliothek entstanden sind. Darüberhinaus bietet sie Gelegenheit, an entlegenen Orten erschienene oder nur schwer zugängliche Texte neu zu edieren.

    Die Beschäftigung mit dem Konservatismus, seinen vielfältigen Ausprägungen in Geschichte und Gegenwart sowie mit konservativen, philosophischen und kulturellen, politischen und ökonomischen Entwürfen sind ebenso Gegenstand der ERTRÄGE wie biographische Darstellungen und anderes.

    Sinn und Ziel der von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung herausgegebenen Bände soll neben der Dokumentation auch die lebendige und kontroverse Diskussion von Inhalten und Themen konservativen Denkens sein. Neben renommierten Autoren aus dem wissenschaftlichen und publizistischen Bereich werden auch Nachwuchsautoren und -wissenschaftler zu Wort kommen. Diese erhalten teilweise erstmals ein Forum für ihre Aufsätze und wissenschaftlichen Arbeiten.

    Die nach Bedarf erscheinenden Bände werden entweder als Anthologien oder als Monographien herausgegeben. Der vorliegende erste Band bietet eine Zusammenstellung von Texten verschiedener Referenten aus den Jahren 2012 und 2013, darunter den für diese Veröffentlichung überarbeiteten Festvortrag zur Eröffnung der Bibliothek des Konservatismus von Alexander Demandt sowie die Festansprache von Konrad Adam zum selben Anlaß. An der getroffenen Auswahl der Texte läßt sich die inhaltliche Bandbreite der Vorträge und ihrer Autoren nachvollziehen.

    Berlin, im September 2014

    Patrick Neuhaus

    Alexander Demandt

    Oswald Spengler, ein konservativer Denker?

    In Ciceros Schrift über das höchste Gut und das ärgste Übel¹ heißt es:* Alle Lebewesen sind darauf bedacht, sich zu erhalten, ad se conservandum, und erstreben, was zu ihrer Erhaltung dient, quae conservantia sunt. Zu Recht gelte: omnem naturam esse conservatricem sui.² Durch das konservative Prinzip bewahrt sich die Natur und übersteht alle Katastrophen. Mögen Vulkanausbrüche, Erdbeben und Sturmfluten noch so viel zerstören, sind sie doch nur Ausdruck der Lebenskraft der Natur, die sich stets in anderer Form wiederherstellt und als ganze »konserviert«.

    Können wir nun von der Geschichte des Menschen Gleiches behaupten und sagen: omnis historia est conservatrix sui? Ist die Geschichte eine conservatrix humanitatis? Wir zögern. Zwar wissen wir von Schiller: »Neues Leben blüht aus den Ruinen«, doch nicht immer tröstet uns das gewonnene Neue über den Verlust des Alten. Geschichte heißt Veränderung, aber ob es sich um Verbesserung oder Verschlechterung handelt, ist nur standortgebunden zu entscheiden. Daher gab es stets einen Zwiespalt zwischen Befürwortern einer Neuerung und Verfechtern einer Bewahrung des Alten. Schon Thukydides³ erklärt so die Spannung, die zum Peloponnesischen Krieg führte. Er schreibt: Die Spartaner bleiben bei der Tradition, die Athener bevorzugen aber stets Neuerungen.

    Progressive gegen Konservative?

    Fortschritt und Bewahrung erscheinen als Gegensätze, und dennoch ist ihr Verhältnis dialektisch. Dies zeigt sich in der Politik musterhaft bei einer Kontroverse des Jahres 445 v. Chr. im römischen Senat.⁴ Zwischen den Patriziern, dem Geburtsadel, und den Plebejern, dem gemeinen Volk, bestand keine Ehegemeinschaft. Nun aber hatten es nicht wenige Plebejer zu Wohlstand und Ansehen gebracht und forderten das connubium. Die Traditionalisten bestanden auf dem überlieferten Eheverbot. Dies gehöre zu den mores maiorum, der Vätersitte. Sie habe Rom groß gemacht und sollte unverändert respektiert werden. Die Befürworter der geforderten Eheverbindung wandten dagegen ein, daß die Beibehaltung bewährter Bräuche nur unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen erfolgreich sei. Inzwischen hatten sich die Verhältnisse verändert, und das nicht zum ersten Mal. Die hergebrachten Usancen, heißt es, hätten ja nicht schon immer bestanden, sondern seien auch einmal neu gewesen. Auf eine neue Situation habe man allzeit mit neuen Mitteln reagiert, und insofern sei die Zulassung des connubium zeitgemäß und sinngemäß gar nichts Neues, sondern entspreche durchaus der Tradition situationsgerechten Handelns. Das Eheverbot fiel, und der Staat gedieh. In jener Szene zeigt sich die Verschränkung von Konservatismus und Progressivität. Das ist kein Einzelfall. Die Reformen Solons waren ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Demokratie in Athen, also progressiv. Sein Ziel aber war lediglich die Überwindung der Schuldenkrise und die Wiederherstellung des inneren Friedens, also konservativ. Die Begründung der römischen Monarchie durch Augustus wahrte den Bestand des Imperiums für ein halbes Jahrtausend, war mithin progressiv und konservativ zugleich. Der Übergang zum Christentum durch Konstantin war weder das eine noch das andere. Sein Schritt war gewiß nicht konservativ, aber auch nicht unbedingt progressiv, wenn wir an die Ketzerverfolgungen und Glaubenskriege denken.

    Als Luther seine 95 Thesen gegen den Ablaßmißbrauch verschickte und damit das Ende des päpstlichen Meinungsmonopols einleitete, schrieb er am 31. Oktober 1517 an Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg und berief sich auf die Bibel und auf die Canones der Konzilien, also auf die kirchliche Tradition, wogegen die Ablaßpredigt verstieß.⁵ Luther bekämpfte ganz im konservativen Sinn eine Neuerung im Kleinen, das Ablaßgeschäft, und bewirkte eine Neuerung im Großen: das Ende der päpstlichen Monokratie. Die Reaktion der katholischen Kirche auf die Reformation erfolgte 1545 bis 1563 auf dem Konzil zu Trient: konservativ und dennoch zukunftsträchtig. Die Begriffe »progressiv« und »konservativ« besagen mithin nichts über Zukunftsfähigkeit.

    In einer sich wandelnden Gesellschaft wie der unseren ist der Konservative, wenn er den Wandel wie bisher gutheißt und beibehält, insofern tatsächlich progressiv, während der Progressive, der weiterhin nur dasselbe will, im Grunde konservativ ist. Kontrovers ist nicht das Prinzip, sondern allein das Ausmaß, das Tempo und die Form der Veränderung. Und das ist ein weites Feld. Angesichts der urmenschlichen Neigung zu Neuerungen ist die retardierende Haltung der Konservativen dem Vorwurf ausgesetzt, den Fortschritt – oder was dafür gilt – zu blockieren. Wo fällige Veränderung grundsätzlich abgeblockt wird, weil – wie Jacob Burckhardt schrieb – die herrschenden Kasten oft »absolut inkorrigibel« sind, da staut sich der Unmut derer »da unten« über die mangelnde Reformbereitschaft derer »da oben«, und es kommt zur Revolution mit Mord und Totschlag.

    Demokratiekritik

    Eine solche Revolution erlebte Spengler am 7. November 1918 in München.⁷ Noch im Mai hatte er vom Sieg geträumt und von einem deutschen Protektorat bis zum Ural.⁸ Die Niederlage und das Ende der Monarchie brachten ihn an den Rand der Verzweiflung. Rettung aus der revolutionären Anarchie erhoffte er durch »eine Diktatur, irgend etwas Napoleonisches«,⁹ so wie nach dem 18. Brumaire 1799 geschehen. Seit Platon weiß man: Chaos und Not münden in die Macht eines Tyrannen, eines Ordnungsstifters. Viele gelungene Revolutionen brachten einen starken Mann an die Spitze.

    Die Novemberrevolution war mißlungen. Deutschland war aus einer konstitutionellen Monarchie keine Räterepublik, sondern eine parlamentarische Demokratie geworden. Spenglers Stellung zum neuen Staat war gespalten. Demokratie war, von ihm zugestanden, die unvermeidlich zeitgemäße, in der bestehenden Gestalt aber nicht wunschgemäße Staatsform.¹⁰ Spengler schmähte das Weimarer Parlament, jenen »Biertisch höherer Ordnung«.¹¹ Die dem Fraktionszwang hörigen Abgeordneten, nicht die Wähler, bezeichnet er als »Stimmvieh«.¹² Er verwarf den »kapitalistisch-parlamentarischen Liberalismus«, der das Glück des Einen auf das Unglück des Anderen baut. Darin war er einig mit den Gegnern der Konservativen, mit der extremen Rechten und der radikalen Linken.

    Spengler verstand sich als politischer Denker.¹³ »Jede Zeile, die nicht geschrieben ist, um dem tätigen Leben zu dienen, scheint mir überflüssig«.¹⁴ Er favorisierte einen starken Staat, einen populistischen Cäsarismus, so wie der gar nicht so liberale Theodor Mommsen den dictator perpetuus Cäsar als überparteiliches »Volkshaupt«, als »Demokratenkönig« ansprach.¹⁵ Demokratie ist bei Spengler bezeichnend für Spätkulturen, wenn sich das Leben in der Großstadt konzentriert. Die Städte sind die Geldplätze, und die Gier nach dem Geld macht die Volksherrschaft früher oder später zur Geldherrschaft, die Demokratie zur Plutokratie. Diese Gefahr beschrieb schon Aristoteles.¹⁶ Spengler resümiert: »Der Geist denkt, das Geld lenkt«.¹⁷ Auch das Ende der römischen Republik hatte einst Sallust in seinem zweiten Brief an Cäsar¹⁸ auf die Macht des Geldes zurückgeführt, das aus den eroberten Provinzen in die Hände der Prokonsuln geriet und zur Willensbildung der Wähler eingesetzt wurde. Wohltaten für das Volk und »Handsalben« für die Politiker bestimmten die Macht im Staate.

    Wie in Rom, so – nach Spengler – wieder in Weimar! Die »freie Meinung« wird von der »freien Presse« erzeugt. Diese aber dient dem, der sie besitzt, der das Geld hat. Wirklich frei ist nur ein Northcliffe oder ein Hugenberg, modern gesprochen: ein Berlusconi oder ein Axel Springer. Die Herrschaft über die Masse hängt ab von der Verfügung über die Medien und von der Überzeugungskraft eines Redners, eines Demagogen, der sich zum Träger des Volkswillens zu stilisieren imstande ist.

    Und damit ist Spengler beim Cäsarismus. Dieser wird, so glaubt und hofft er, letztlich über den Parteienegoismus und die Hochfinanz siegen, so wie einst in Rom Cäsar zunächst sich über seine Verschuldung bei Crassus populär zu machen verstand, indem er

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