Vier Verfahren zum Adressmapping im Vergleich
Posted by Nakaner on 19 March 2013 in German (Deutsch).Nachdem ich vor etwa einem Monat von meinen Erfahrungen vom Adressmapping mit dem Auto berichtet habe, bin ich von User Markus59 auf die Android-App Keypad-Mapper 3 hingewiesen worden. Den Hinweis habe ich zum Anlass genommen, mal drei gebräuchlichsten Adressmappingverfahren und Keypad-Mapper 3 einem gemeinsamen Test zu unterziehen. Folgende Techniken werden verglichen:
- GPS-basiertes Verfahren
- Walking Papers mit Cadastre Style
- Keypad-Mapper 3
- Audiomapping
Die Aufnahme georeferenzierter Fotos habe nicht in Betracht gezogen, da das andauernde Fotografieren von Häusern als Fußgänger Anwohner vermutlich zum Ansprechen des Mappers verleiten würde, selbst wenn man eine Warnweste mit dem Aufdruck “VERMESSUNG” tragen würde.
Das Testgebiet
Den Test habe ich im Dessauer Stadtteil Törten durchgeführt. Törten ist dörflich geprägt. Der Ortskern ist, für anhaltinische Dörfer typisch, locker mit Einfamilienhäusern und Nebengebäuden bebaut. Im Ortskern habe ich mein Walking Paper getestet. An den Ortskern grenzt ein Wohngebiet mit Doppelhaushälften, alle in Reih und Glied entlang der Straße angeordnet. Dort kamen die drei anderen Verfahren zum Einsatz.
GPS-basiertes Verfahren
Wie geht das?
Mit dem GPS-basierten Verfahren habe ich vor etwa eineinhalb Jahren mit dem Adressmapping begonnen. Beim GPS-basierten Verfahren setze ich mit einem GPS-Gerät (bei mir Garmin Dakota 20) einen Wegpunkt vor mittig auf die Straße vor das Haus und notiere auf einem Formular (PDF, 35 kB) Wegpunktnummer, Hausnummer und die Straßenseite (rechts/links). Wenn die Hausnummern geordnet sind und die Bebauung homogen ist (bei Baugebieten der Fall), genügt es bei einer Hausnummernreihe, wie z.B. 18 16 14 12 10, nur vor der 18 und der 10 einen Wegpunkt zu setzen. Neben den Hausnummern notiere ich auch noch jedes mal, wenn sich der Straßenname ändert (z.B. beim Abbiegen) den Straßennamen und die Fortbewegungsrichtung (z.B. Richtung Norden, abgekürzt “Ri. N”).
Vor- und Nachteile
Das GPS-basierte Verfahren ist gut für Gebiete geeignet, in denen keine hoch aufgelösten Luftbilder vorliegen, d.h. Gebiete, in denen man keine Gebäude vernünftig abzeichnen kann. Das war in Deutschland bis vor einigen Monaten fast flächendeckend der Fall. Zum Abzeichnen sollten die Bilder eine Auflösung von mindestens 30, besser 20 cm aufweisen.
Das Verfahren hat den Nachteil, dass man recht lange für die Auswertung in JOSM benötigt, wenn die Gebäude nicht einfach 3–5–7–9 durchnummeriert sind. Dann muss man vor jedes Gebäude einen Wegpunkt setzen und dessen Nummer sowie die Hausnummer und Straßenseite (rechts/links) notieren. Das frisst viel Zeit und man kommt nur langsam voran. Ungenauigkeiten bei der Positionsbestimmung erschweren die Zuordnung der Wegpunkte zu den Gebäuden. Diese ist gerade dann schwer, wenn die Luftbilder zu schlecht zum Abzeichnen der Gebäude sind. Man muss dann nämlich den GPS-Track in JOSM über den Layer mit den Bing-Bildern legen. Die dünne, graue Schrift kann man jedoch auch als Nicht-Farbenblinder nur schwer auf dem bunten Bing-Bild, vor allem auf grauem Asphalt, lesen.
Im Wohngebiet in Törten, wo die Bebauung homogen ist (vgl. Mapnik-Karte und Bing-Bilder), habe ich in 16 Minuten 106 Hausnummern erfasst. Das Mappen ging außergewöhnlich schnell voran, weil ich nur am Anfang und Ende der Straße einen Punkt setzen musst. Es gab nämlich keine Sprünge und Lücken in der Nummerierung. Die Auswertung dauerte 14 Minuten, insgesamt also 3,5 Hausnummern pro Minute Arbeitszeit (Summe Messung und Auswertung). Normalerweise bin ich höchstens halb so schnell.
Walking Papers
Wie geht das?
Walking Papers waren bisher mein Lieblingsverfahren zur Adresserfassung. Auf http://walking-papers.org/ habe ich mir mein Arbeitsgebiet ausgedruckt und bin mit diesen Zetteln und einem Klemmbrett losgezogen. Das Mappen selbst ist ziemlich simpel: Einfach die Hausnummern in die Hausumrisse schreiben, mehr nicht.
Vor- und Nachteile
Walking Papers sind vor allem dann interessant, wenn man keinen GPS-Empfänger hat oder der GPS-Empfang, wie in Innenstädten/Straßenschluchten üblich, schlecht ist. In Innenstädten, wo die Bebauung oft kreuz und quer ist, sind Walking Papers auch deshalb vorzuziehen, weil man die Zuordnung der Hausnummer zu dem Gebäude gleich vor Ort vornehmen kann. In Wohngebieten kann man meistens das Hauptgebäude eines Grundstücks leicht erkennen: das Wohnhaus, in Innenstädten, wo alles aneinander gebaut ist, geht das nicht so leicht.
Ein Walking Paper lenkt einen jedoch leicht vom Adressmapping ab. Hier sieht man noch einen Fußweg, der fehlt, da noch einen Briefkasten und am Ende notiert man noch alle Straßenbeläge. Normale Walking Papers sind ein universell geeignetes Mapping-Hilfsmittel. Wenn man aber nur Hausnummern und vielleicht noch die Gebäudenutzung erfassen will, greift man am besten zu selbst gerenderten Walking Papers.
Im Ortskern von Törten habe ich in 34 Minuten 68 Hausnummern erfasst. Die Auswertung dauerte 14 Minuten, insgesamt also 1,5 Hausnummern pro Minute Arbeitszeit (Summe Messung und Auswertung). Der Wert ist eigentlich nicht mit den anderen Verfahren vergleichbar, da nicht dieselben Rahmenbedingungen gegeben sind.
Keypad-Mapper 3
Was ist Keypad-Mapper 3 und was kann das?
Keypad-Mapper 3 ist eine Android-App zur Erfassung von Hausnummern mit einem Android-Smartphone. Wie beim GPS-basierten Verfahren setzt man einen GPS-Punkt vor das Haus (das Abspeichern übernimmt die App) und gibt Hausnummer und Straßenseite (Links/Rechts/Vorn) ein. Keypad-Mapper 3 erzeugt eine .osm-Datei, die die Nodes mit den addr:*-Tags enthält und mit JOSM geöffnet werden kann. Außerdem wird der gelaufene Weg als .gpx-Track gespeichert. Die App setzt die Adress-Nodes um einen vom Nutzer angegebenen Abstand neben die Straße. Wenn in der Gegend schon die Gebäude abgezeichnet wurden, ist dieser Abstand eigentlich unbedeutend, da man (ich mache es zumindest so) die Tags der Adressnodes auf den Gebäudeumriss kopiert und den Node löscht.
Meine Meinung, meine Erfahrungen
An der App gefällt mir, dass man damit sehr unauffällig mappen kann. Alle anderen Verfahren sind auffällig, weil man entweder ein Klemmbrett oder Feldbuch mit sich führt und auffällig umherschaut oder weil man “wie ein Bekloppter” :-) Nummer in ein Handy spricht. Gegenüber dem GPS-basierten Verfahren spart man sich das Aufschreiben von Wegpunkt- und Hausnummer. Weil man keine großen Möglichkeiten hat, Notizen zu machen, wird man nicht durch andere mappbare Sachen (POIs, Straßenbeläge, Hundekottütenspender usw.) abgelenkt. In kniffligen Situationen kann man aus der App heraus georeferenzierte Fotos aufnehmen.
Es wäre schön, wenn man aus der App heraus mehrere Fotos auf einmal aufnehmen könnte. Ich nutze Android 2.3, welches keine Panoramafotofunktion hat. Wenn ich eine georeferenzierte Rundumansicht möchte, muss ich jedes Bilder einzeln aufnehmen und anschließend wieder zurück zu Keypad-Mapper 3, dann wieder ein Bild aufnehmen usw. Wie ich dem Markus59 schon geschrieben habe, vermisse ich eine aktustische Warnung, wenn der GPS-Empfang schlecht wird. Als Vermesser bin ich es gewohnt, dass meine (Profi-)Empfänger “Schlechter PDOP!” über einen Lautsprecher ausgeben.
Außerdem vermisse ich die Angabe des HDOP oder PDOP in den .gpx-Dateien. Der HDOP eignet sich gut, um die Zuverlässigkeit der GPS-Positionierung beurteilen zu können. JOSM kann sogar um die einzelnen Trackpoints herum Kreise zeichnen, deren Radien von den DOP-Werten abhängen. Großer Radius heißt hoher DOP-Wert, was ein Indiz für eine schlechte Positionierung ist.
Beim Mappen sollte man nicht bummeln, lieber etwas zügiger gehen, damit der Track schön gerade ist. Die Adressnodes werden nämlich rechtwinklig zur Fortbewegungsrichtung in der vorgegebenen Entfernung zum Track (Position des Smartphones) abgelegt. Läuft man langsam, ist der GPS-Track mehr zick-zack als gerade und die Punkt landen im Nachbargebäude und/oder zu nahe an der Straße.
Im Ortskern von Törten habe ich in 16 Minuten 74 Hausnummern erfasst. Die Auswertung dauerte 15 Minuten, insgesamt also 2,4 Hausnummern pro Minute Arbeitszeit (Summe Messung und Auswertung). Der Wert ist eigentlich nicht mit den anderen Verfahren vergleichbar, da nicht dieselben Rahmenbedingungen gegeben sind.
Audiomapping
Was ist Audiomapping und wie geht das?
Beim Audiomapping nimmt man fortlaufend während des gesamten Mappens eine Tonspur auf und lässt gleichzeitig einen GPS-Logger laufen. Das kann eine Smartphone-App, wie z.B. GPSLogger (Android), oder, wie bei mir, ein eigenständiges Gerät (Garmin Dakota 20) sein. Wie beim GPS-basierten Verfahren koordiniert man die Häuser über ihre Lotfußpunkte auf die Straße. Mittig vor dem Haus sagt man die Nummer und die Straßenseite, also “Siebenundzwanzig a links”.
WICHTIG: Der GPS-Track sollte zeitlich nach der Audiodatei beginnen. Dazu schneidet man mit GpsPrune einfach den Anfang des Tracks so weit ab, bis man sich an einem markanten Punkt befindet, den man gesprochen hat (z.B. die erste Hausnummer). JOSM kann zwar auch GPS-Tracks bearbeiten, man muss dabei aber aufpassen, dass der Zeitstempel erhalten bleibt. In JOSM lädt man nun den Track, anschließend klickt man im Ebenenmanager rechts auf die Ebene des GPS-Tracks und wählt “Audio importieren”. Mit der Punkt-Taste kann man das Abspielen starten bzw. anhalten, mit F6 zurückspulen. Man lässt den Ton nun so lange laufen, bis man den Moment erreicht, an dem der Track beginnt. Nun drückt man [.], dann F6, um zurückzuspulen und klickt rechts auf die Audio-Ebene im Ebenenmanager und wählt “Ton synchronisieren”. Wenn die Synchronisation nicht genau genug ist, kann man sich nun langsam an die optimale Synchronisation herantasten.
Meine Meinung, meine Erfahrungen
Audiomapping ist umständlich. Beim Eintragen der Adressen in JOSM bin ich mit Maus und Tastatur schneller, als die Tonausgabe abläuft. (Ich weiß, man kann die Abspielgeschwindigkeit erhöhen.) Das Synchronisieren ist stets eine Fummelei. Wenn man es nicht tagtäglich macht, vergisst man es leicht wieder. Für 107 Adressen habe ich 20 Minuten zum Mappen benötigt und 35 Minuten zur Auswertung. Zur Auswertung gehört auch das Abschneiden des Anfangs des Tracks und das Konvertieren der Tonspur in das WAV-Format, die mein Smartphone im .3gp-Format speichert, da JOSM nur WAV lesen kann. Man schafft mit Audiomapping also nur etwa 1,9 Adressen pro Minute Arbeitszeit, der niedrigste Wert
Fazit
In Gebieten mit sehr enger oder unübersichtlicher Bebauung sind Walking Papers das Mittel der Wahl. Ansonsten kann man stattdessen, wenn man ein Android-Smartphone nutzt, Keypad-Mapper 3 verwenden. Audiomapping hat sich in diesem Test als nicht so praktikabel herausgestellt. Ich habe den Eindruck, dass es nicht sehr verbreitet ist. In JOSM wird es deutlich schlechter unterstützt (umständlicher in der Anwendung) als die Verwendung georeferenzierter Fotos.
Abschließende Bitte
Unter meiner Nutzerseite habe ich im OSM-Wiki eine Seite zur Sammlung der Techniken zum Adressmapping angelegt. Wer andere Verfahren als die hier beschriebenen kennt, möge doch bitte dort eine (kurze) Beschreibung des Verfahrens hinterlassen. Später könnte man die Beschreibungen dann auf die Seite des Karlsruher Schemas verschieben und ins Englische übersetzen.
Nachtrag
Changeset GPS-Wegpunkte-Verfahren: 15421678
Changeset Walking Papers: 15421830
Changeset Keypad Mapper 3: 15421297
Changeset Audiomapping: 15424733
Discussion
Comment from shogun on 20 March 2013 at 16:05
Hallo Nakaner,
Ich nutze zu mappen von Hausnummern OsmPad. Ist eine Mischung zwischen WalkingPaper und Keypad-Mapper 3. Mir persönlich gefällt Keypad-Mapper 3 nicht so gut weil in engen Straßen die GPS Verbindung schlecht ist und ich ein heilloses durcheinander danach habe. Bei OsmPad habe ich eine offline Karte von einem Gebiet geladen und setzte die Hausnummern genau durch ein Kreuz auf die Karte, die ich dann per *.gpx Datei in josm lade. (http://wiki.openstreetmap.org/wiki/OsmPad)
Gruß shogun
Comment from TuxMapper on 20 March 2013 at 21:17
Kannst du erklären, wie man das mit den selbst gerenderten Walking Papers macht oder hast du einen Link, wo das verständlich erklärt wird? Kenne mich da leider nicht so aus.
Ansonsten guter Artikel ;)
TuxMapper
Comment from Nakaner on 20 March 2013 at 21:35
@TuxMapper: Die selbst gerenderten Walking Papers rendere ich mit Maperitive. Maperitive ist so das Einsteiger-Programm unter den Renderen (hinsichtlich Funktionsumfang und Bedienkomfort (GUI)).
Der Ausgabemaßstab sollte 1:2000 oder größer sein (also kein 1:10.000!). Weitere Infos zu Cadastre Style findest du im dazugehörigen Blogpost, im Wiki und auf Github. Maperitive selbst ist im Wiki auf Deutsch gut dokumentiert, wenn dir das nicht reicht hilft Ausprobieren und die offizielle Doku (Englisch) weiter.
Comment from aseerel4c26 on 20 March 2013 at 22:35
Einfach nur mal “Danke!” für die tolle Übersicht mit den ausführlichen subjektiven Kommentaren!
Comment from Spitzbart on 18 November 2013 at 15:46
Wie sollte die Hausnummer eigentlich angegeben werden?
addr:housenumber zum Haus dazu oder einen seperaten Punkt und den das Attribut addr:housenumber geben?
Comment from Nakaner on 20 November 2013 at 22:34
Normalerweise die Hausnummern (addr:-Tags) an den Gebäudeumring. Wenn es ein Doppel-/Reihenhaus oder Plattenbau ist, das Gebäude entsprechend aufteilen. Wenn eine Trennung nicht eindeutig erkennbar ist, dann setzt man die addr:-Tags auf den Eingang oder etwa als eigentständige Punkte mitten in die zugehörigen Gebäudeteile. Nicht eindeutige Hausnummernzuordnung gibt es eigentlich nur in Innenstädten/dicht bebauten Gebieten, wo ein Haus zwei Eingänge mit unterschiedlichen Hausnummern hat.